Im Münchner Osten beginnt die Krautgarten-Saison

München · Aufbruchstimmung am Acker

München · Die Sonne steht schon tief, und während der Feierabendverkehr am nahen Innsbrucker Ring langsam abebbt, tönt von einem Feld zwischen Wohnanlagen der dumpf-helle Klang von Metall, das auf Stein trifft.

Die tönende Untermalung dieses lauen Maiabends in Berg am Laim stammt von Gartenhacken, mit denen zehn, zwanzig Gärtner gerade die steinigen Erdschollen auf ihrer Parzelle kleinhauen. Auf den Krautgärten an der St.-Michael-Straße herrscht Aufbruchstimmung.

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Erst vor wenigen Tagen haben die Pächter von der Stadt ihre Flächen bekommen. Mitarbeiter des Stadtguts Riem hatten das 2.500 Quadratmeter große Feld vorbereitet, gepflügt, gefräst, mit Kompost versorgt, geeggt. Sie haben Samen und Kartoffeln gelegt und Zwiebeln gesteckt. Jetzt ziehen sich in langen Reihen Radieschen, Karotten, Spinat und Erbsen und zeigen ihre ersten zarten Blätter. Die Feinarbeit ist nun Sache der Hobbygärtner. Ihre insgesamt 66 Parzellen liegen quer zu den gesäten Reihen, so kommt jeder von ihnen in den Genuss der gleichen Menge Gemüse – theoretisch. Denn es liegt am Fleiß und grünem Daumen jedes Einzelnen, wie reich die Ernte am Ende ausfällt. Die Waage wird in ein paar Wochen und Monaten zeigen, ob die Selbstversorger inmitten der Stadt im richtigen Maß gehackt und gegossen haben.

Hans Dull gibt sich dazu jetzt schon jede Mühe, legt die Hacke beiseite und greift zu einem Plastikbeutel mit braunem Granulat – Biodünger, eine Mischung aus Algen-, Horn-, Blut- und Knochenmehl, denn auf den Krautgärten der Stadt München darf nur streng nach biologisch-organischen Richtlinien angebaut werden. Das heißt: keine mineralischen Dünger, keine chemischen Pflanzenschutzmittel, kein Gift gegen Schädlinge. Dafür wurlen und werkeln die Mikroben im Boden um so reger. Und pickt einmal ein Vogel ein Korn, läuft er nicht gleich Gefahr, tot umzufallen. Gärtner Dull ärgert sich zwar gerade über den hohen Preis des Düngerpackerls, freut sich dann aber gleich wieder über die Aussicht auf echtes Biogemüse. Das hat seinen Preis, der höhere Flächenbedarf und der geringere Ertrag als bei herkömmlichem Anbau mit allerlei chemischen Hilfsmitteln erfordert höhere Preise am Marktstand. „Für ein Kilo Bio-Weißkraut zahle ich mehr als zwei Euro, hier kostet mich die Parzelle 63 Euro für 30 Quadratmeter, und wenn alles gutgeht, ist meine Ernte 500 Euro wert“, hat sich der Ex-Polizist und pensionierte Privatermittler ausgerechnet.

Seit vier Jahren ist Dull nun schon dabei, sonderlich zeitraubend ist die Aussicht auf eigenes Gemüse aber nicht. „Im Schnitt sind's drei Stunden Arbeit pro Woche“, weiß Dull. Mehr Zeit als unbedingt nötig wird er trotzdem wieder bleiben. Das liegt zum einen an der guten Stimmung, die unter den Gärtnern herrscht - und an den vielen neuen Eindrücken. Dull ist vor allem von den besonderen Gemüsearten begeistert, die seine internationalen Mitstreiter auf den Acker bringen. Denn etwa die Hälfte der jeweiligen Parzelle können die Gartler mit ihrem Wunschgemüse vollpflanzen. „Unsere Vietnamesen da drüben haben mir letztes Jahr eine von ihren Chilis gegeben, die konnte ich kaum essen, so scharf war die.“ Seine Freude über die begonnene Saison hat noch einen anderen Grund. Die zugeloste Lage seiner Parzelle ist es, die ihn glücklich macht. Sie grenzt diesmal direkt an eine Parkanlage, die viele Sportler nutzen. „Da kommen dann die ganzen Joggerinnen und bekommen einen Salat von mir“, sagt der Alleinstehende. Dabei beginnen seine Augen zu leuchten – wohl nicht nur der Abendsonne wegen.

Das Feld in Berg am Laim ist nicht der einzige Nahrungs- und Genussspender dieser Art. Einst eine Selbstverständlichkeit am Rand der Stadt wurde 1999 die Tradition der Krautgärten wiederbelebt. 16 Standorte zählt die Stadt. Allein das Gut Riem bietet neben Berg am Laim noch fünf weitere Krautgärten an: Beim Gut an der Isarlandstraße selbst, in Gronsdorf am Riemer Park, in Perlach an der Arnold-Sommerfeld-Straße, an der Truderinger Karpfenstraße und in Hohenbrunn an der Hubertusstraße.

Städtische Acker finden sich auch in Waldperlach, Trudering und der Blumenau. Außerdem verpachten noch einige private Anbieter und Vereine zu einem ähnlich niedrigen Preis Flächen zur Selbstversorgung, etwa in Hadern, Johanneskirchen, Neuaubing, Pasing oder am Hasenbergl. Um die 1.000 Krautparzellen gibt es insgesamt in Stadt und Landkreis. Übergabe an die Pächter ist jeweils im Frühjahr, im November müssen die Beete wieder geräumt sein. Im nächsten Jahr beginnt das Spiel mit der Hacke dann wieder von Neuem. Schon jetzt können sich Interessierte für eine Parzelle 2013 vormerken lassen. Infos gibt’s bei den Stadtgütern München, Freisinger Landstraße 153, Fax: 0 89/32 46 86–20, E-Mail: sgm.kom@muenchen.de. Von Florian Falterer

Artikel vom 03.05.2012
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