Interkultureller Kaffeeklatsch soll Austausch stärken

Giesing · Café der Nationen

So tolle Jungs dürfen auch mitmachen: Martin und Mio aus der Au sind als Männer zwar in der Minderheit, aber mit viel Freude dabei.	Foto: HH

So tolle Jungs dürfen auch mitmachen: Martin und Mio aus der Au sind als Männer zwar in der Minderheit, aber mit viel Freude dabei. Foto: HH

Giesing · »Es ist ein tolles Angebot hier – das hat bisher gefehlt.« Der dreijährige Mio und sein Vater Martin sind spürbar begeistert.

Zum ersten Mal sind die beiden aus der Au zum »Café der Nationen« gekommen, das außer in den Ferien jeden Mittwoch von 10 bis 12 Uhr in den Räumen der evangelisch-lutherischen Philippuskirche an der Chiemgaustraße 7 in Obergiesing seine Pforten geöffnet hat.

Eigentlich ist das interkulturelle Café auf Frauen verschiedenster Nationen ausgerichtet, aber das freundliche Herrenduo Mio und Martin hier auch gern gesehen. Am letzten Mittwoch bei herrlichem Sonnenschein war Pflanztag für die Teilnehmer. Erdbeeren und Tomaten, Blumen und Zierpflanzen wurden zur Verschönerung des sonst eher karg anmutenden Kircheninnenhofs rund um die vorher einsame Buche in Mutter Erde verfrachtet. Alle waren mit Feuereifer dabei. Alle, das sind vier Wochen nach der Gründung der Initiative vor allem Migrantinnen aus den unterschiedlichsten Herkunftsländern und deren Kleinkinder, die in München eine neue Heimat finden und sich hier ein neues Leben aufbauen. »Hier wird den Frauen geboten, was ihnen sonst in der Regel fehlt: Kontakte zu deutschen Frauen und Kindern«, erklärt Kathrin Neumann die Hauptausrichtung.

Die Pädagogin arbeitet im Verein »Freundschaft zwischen Ausländern und Deutschen« im Projekt »Nachbarschaftshilfe für deutsche und ausländische Familien« seit Jahren an einer besseren Verständigung zwischen Migranten und Deutschen und ist auch als Deutschlehrerin in Intergrationskursen aktiv. Zusammen mit der Kinderkrankenschwester Beate Semaan, die im Giesinger Einzugsbereich rund um die Philippuskirche in der aufsuchenden Betreuung junger Mütter aktiv ist, entwickelte sie die Idee zum Vorzeigeprojekt. »Den Frauen hier fehlen vor allem Kontakte – da wollen wir ganz entschieden ansetzen«. Allwöchentlich bei Kaffee und Kuchen sowie vielen Spielgelegenheiten für die Kleinen können sich die Frauen hier austauschen, kennenlernen und nach Herzenslust quatschen.

»Wer bin ich, woher komme ich, warum bin ich hier, wie lebe ich in München und wie möchte ich leben?« Pädagogin Rita Tolnay-Knefély leitet das Café der Nationen und koordiniert die Vormittage bei St. Philippus. Neben ihr und Neumann gehören auch Julia Kistler und Birgitte Häcker-Otrebski mit Schwerpunkt in der Kinderbetreuung zum Team.

Gespräche, intensiver Austausch und nicht zuletzt auch das so wichtige Erlernen der deutschen Sprache sind Fixpunkte des Angebotes. Ebenso sollen Eingewöhnungsschwierigkeiten für die Migrantinnen im oft so schwierigen täglichen Umfeld erörtert und abgebaut werden. Dazu stehen Themengespräche und Erzählungen der Frauen zu unterschiedlichen Erziehungskulturen in den jeweiligen Ursprungsländern oder praktische Tipps der Pädagoginnen auf dem Programm. Der Praxistest jedenfalls scheint zu funktionieren: Am Tisch nebenan sind zwei junge Frauen in ein Gespräch vertieft. Klaudia aus Polen und Shushan aus Armenien tauschen sich intensiv aus und lernen sich wortreich kennen. Zaynap aus Afghanistan nur wenige Meter weiter kümmert sich derweilen liebevoll um ihre zweijährigen Zwillinge, die nach Herzenslust Blumen pflanzen – assistiert durch Julia Kistler. »Das ist ein wahres Paradies hier«, freut sich Initiatorin Neumann. Zum einen seien die Räumlichkeiten der Pfarrgemeinde, die man kostenfrei nutze, gut gegen die nahe Chiemgaustraße abgeschottet und abgesichert. »Zum anderen verfügen wir hier über großzügige Räume – und können bei Sonnenschein und im Sommer neben dem Innenhof auch den Pfarrgarten nutzen.« Das Glück wäre komplett, schmunzelt Neumann. »Wenn, ja wenn wir noch mehr Besucherinnen und vor allem auch deutsche Teilnehmerinnen hätten«. Das ganze Programm sei ja erst gut einen Monat alt und müsse wachsen. Etwa so wie die Pflänzchen, die während unseres Gesprächs in immer reicherer Anzahl aus dem Pfarrboden sprießen.

Mio und Martin gehen mit gutem Beispiel voran und werkeln in der Damenriege ebenfalls kräftig mit. »Für die Möglichkeiten hier muss man auch der Pfarrei und Pfarrer Michael Trimborn herzlich danken.« Getragen und in Form von Sachleistungen finanziert wird die Maßnahme durch die Initiative »F.I.T« der evangelischen Landeskirche in Bayern.

Hier soll der integrative Ansatz gestärkt werden – förderungsfähig sind Projekte wie das Café der Nationen, bei dem kirchliche Partner wie die Philippuskirche involviert sind. »Der Zuschuss-Antrag ging in Rekordzeit durch, nachdem sich die Verantwortlichen der Kirchengemeinde hervorragend mit einbrachten«, lobt Neumann deren Engagement. Überhaupt: Die Gemeinde in einem strukturell schwierigen Obergiesinger Umfeld mit vielen Einzelhaushalten öffnet sich bewusst diesen Ansätzen, unterstreicht Neumann ihre Gesprächsergebnisse mit der Pfarrei. Der Dialog soll noch intensiver werden. Das Café der Nationen soll beim Pfarrfest dabei sein, zudem ist ein gemeinsamer Gesprächskreis mit den Senioren von St. Philippus geplant. »Alle können da viel voneinander lernen und den Meinungs- und Gedankenaustausch noch intensiveren«, ist Neumann die Vorfreude anzumerken.

Trotz klar weiblicher Ausrichtung und deutlichem Damen-Überschusses: Mio und Martin werden von jetzt an wohl regelmäßig dabei sein. »Toll« – fasst Mio seine Eindrücke zusammen. Klaudia und Shushan plaudern noch immer. Andere pflanzen. Kaffee und Kuchen werden gereicht. Das Café der Nationen nimmt Fahrt auf. Wer sich in das Projekt einklinken will kommt jeweils mittwochs zwischen 10 und 12 Uhr einfach in die Chiemgaustraße vorbei bei Kathrin Neumann unter Tel. 53 71 02 oder per E-Mail unter kathrinneumann@die-nachbarschaftshilfe.de. H. Hettich

Artikel vom 30.04.2012
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