Gemeinsam Brücken bauen: Türkisch-Bayerischer Maitanz

Zentrum · Türkiyem & Isargau

Bayerisch und türkisch getanzt und gefeiert wird am 4. Mai im Gemeindesaal von Sankt Matthäus am Sendlinger Tor.	Foto: scy/privat

Bayerisch und türkisch getanzt und gefeiert wird am 4. Mai im Gemeindesaal von Sankt Matthäus am Sendlinger Tor. Foto: scy/privat

Zentrum · Vorurteile – viele haben welche. Doch inwiefern stimmen diese festgezurrten Bilder im Kopf? Am besten, man geht hin und überprüft selbst, was daran wahr ist und was falsch. Gut also, wenn es Veranstaltungen gibt, die ihren Beitrag dazu leisten, lang gehegte Vorurteile abzubauen.

Der Türkisch-Bayerische Maitanz, der am Freitag, 4. Mai, ab 19 Uhr im Gemeindesaal von Sankt Matthäus am Sendlinger Tor stattfindet, ist dafür ein schönes Beispiel. Hier treffen sich türkische und bayerische Münchner zum gemeinsamen Feiern. Und ganz automatisch wird einem bei Essen, Musik und Tanz das Fremde nach und nach vertrauter. »Je mehr wir übereinander erfahren, desto weniger Berührungsängste gibt es«, sagt Mitorganisatorin Christa Liebscher vom Verein Nachbarschaftshilfe. Es geht um nichts weniger als das: Brücken bauen – Köprüler kuralim. Ein bekanntes Schlagwort, gewiss. Doch dabei bleibt es nicht. »Viele reden nur davon, wir tun es«, sagen Sühran Alisan und Tülin Meciliocelu vom Ausländischen Elternverein München und ebenfalls mit im Organisationsteam.

Die Idee für das Fest entstand vor fünf Jahren, ganz spontan. »Türken feiern gern, Bayern feiern gern, also dachten wir, dass wir uns einfach zusammentun«, sagt Liebscher. Zunächst wurde in der Gemeinde Sankt Martin im Glockenbachviertel gefeiert, doch schnell wurde es dort zu eng, immer mehr Gäste kamen, der interkulturelle Maitanz gefiel, und das sprach sich schnell herum. Inzwischen ist man umgesiedelt, in den Gemeindesaal der Evangelischen Kirchengemeinde Sankt Matthäus an der Nußbaumstraße 1. Rund 160 Leute waren im vergangenen Jahr dabei. Gestemmt wird das Fest von vielen Seiten: Die Veranstaltung ist ein Kooperationsprojekt der Nachbarschaftshilfe mit Sankt Matthäus und dem Ausländischen Elternverein München und wird unterstützt vom Ausländerbeirat der Landeshauptstadt München.

Was nun erwartet die Besucher? Es gibt türkische und bayerische Live-Musik und Vorführungen der Folkloregruppe »Türkiyem« und der Jugendtanzgruppe des Trachtenvereins »Isargau« sowie türkische und bayerische Spezialitäten. Statt eines Maibaums wird eine Säule im Gemeindesaal quasi zu einem solchen umfunktioniert und von jungen ­Helfern wie Julius Reuter mit Bändern farbenprächtig verziert. Der Eintritt – ohne Verzehr – beträgt sechs Euro. Angesprochen sollten sich nicht nur türkische und bayerische Familien und Singles fühlen, sondern alle Kulturen. »Der Maitanz ist ein Begegnungsfest, zu dem alle eingeladen sind, die gerne feiern und tanzen«, sagt Liebscher. Übrigens: Wer sagt, na ja, Tanzen ist nicht so mein Ding, wird vielleicht von sich selbst überrascht werden. Es gibt viele Kreistänze, die von den Tanzgruppen angeleitet werden.

»Unsere Erfahrung zeigt, dass die Leute spontan mitmachen, ihre Scheu überwinden und plötzlich feststellen, so schwierig ist das eigentlich gar nicht«, berichtet Liebscher. Passend dazu: Integration – so schwierig ist das eigentlich gar nicht. »Ja, eben«, bestätigt Liebscher. »Klar, andernorts wird viel diskutiert, wie man das mit der Integration am besten macht. Doch wir wollen uns nicht in Debatten verlieren.« Der Weg führe weniger über den Kopf, denn über die Emotion: »Man muss sich einfach nur öffnen, neugierig aufeinander sein, Fremdes ausprobieren.« Und die Musik, über die oft gesagt wird, sie sei eine Sprache, die alle Kulturen verbindet, ist tatsächlich oft der schnellste Weg, miteinander in Kontakt zu kommen. Liebscher erinnert sich an eine Episode aus dem vergangenen Jahr: Die bayerischen Jugendlichen aus dem Trachtenverein tanzten plötzlich zu feuriger, türkischer Musik einen Schuhplattler.

Wie notwendig Feste wie dieses sind, kann laut Liebscher gar nicht oft genug betont werden. »Auch in unserer Stadt zeigt die Entwicklung, dass sich immer mehr rechtsradikale Gruppen formieren«, sagt sie. Die Lage sei sehr ernst. Ein Gegeneinander, dass Sühran Alisan weder verstehen noch hinnehmen will. »Wozu sollten wir unsere Lebenszeit mit Konflikten und Ausgrenzung verbringen«, sagt sie. »Alle Menschen sind sterblich. Und bis es soweit ist, sollten wir besser was Schönes aus unserem Leben machen. Jeder kann seinen Beitrag dazu leisten.« Weitere Informationen unter der Telefonnummer 53 66 67 oder per E-Mail christaliebscher@die-nachbarschaftshilfe.de. Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 30.04.2012
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