Albrecht Ackerland im Münchner SamstagsBlatt über die Erotik der Bayern

München · Erotik der Bayern

München · Was für ein sinnlich-derbes Volk wir Bayern sind, das lässt sich wieder wunderbar am kommenden Dienstag in den Dörfern beobachten. Dann ist der 1. Mai.

Dieser Tag ist einer der wichtigsten im Jahr, nutzen ihn doch nicht nur die Arbeiter seit Marx‘ Gedenken, um auf ihre Rechte zu pochen und den neuen Menschen zu fordern. Auch der Bayer pocht an diesem Tag – darauf, dass er begeistert ist von der Art, wie wir Menschen zu neuen Menschen kommen. Der Bayer wäre kein Bayer, täte und meinte er dies nicht äußerst direkt. Die Kunst des Bayern ist, dabei trotzdem verdruckst zu wirken.

Am kommenden Dienstag werden wieder landauf, landab die Maibäume aufgestellt. Das sind bekanntlich Fruchtbarkeitssymbole, die den jeweiligen Orten den Fortbestand ihrer Bevölkerung sichern und junge Menschen dazu anregen sollen, sich um eben jenen aktiv zu kümmern. Das funktioniert seit Jahr und Tag prächtig, der Bayer drohte nie auszusterben, auch wenn manche Schwarze derzeit einen womöglich nahenden Roten als Ministerpräsi als genau das erkennen: Das Ende des Bayernlandes.

Das ist freilich ein großer Unsinn, denn die Bayern beherrschen die Kunst der geheimnisvollen Arterhaltung wie kaum eine zweite Gruppierung von Menschen. Der Maibaum-Bayer vollbringt die Mystik, sich schon nach der Frühmesse mit Bier in medizinisch bedrohlichem Maße zu beseelen und trotzdem ein tonnenschweres Phallussymbol mit Muskelkraft aufzustellen, um dann im Anschluss bei Ausschluss jeglichen Bewusstseins das Wunder des Lebens in Gang zu setzen.

So ist der Bayer: Er macht sich gewissermaßen kaputt und schafft trotzdem Neues. Denn noch immer fanden sehr, sehr viele Menschen in der ländlichen Region bei Maifesten zueinander. So will es der Brauch, so beweist es die gefühlt ansteigende Geburtenrate neun Monate später. Da passt es ganz wunderbar, dass der Mai auch als Marienmonat gefeiert wird – beide, das gemeine Landmadl und die Gottesmutter kommt und kam auf geheimnisvolle Weise zur Empfängnis.

Zur Sicherheit und für alle sichtbar richtet der Bayer aber trotzdem eine haushohe hölzerne Erektion auf den Dorfplätzen von Großharting, Ständlhausen und Lattenbrunn auf. Im Anschluss segnet der Pfarrer dann noch schön verdruckst das gute Stück. Einzige Bedrohung dieses Systems freilich ist die Moderne. Auch auf dem Land bieten sich den Menschen mittlerweile neue Perspektiven, neue Arten, das Leben zu gestalten. Aber auch dagegen erwächst nun bald ein Kraut, auf den Acker gebracht von unserer lieben CSU: Die Herdprämie wird’s schon richten. Damit auch alles beim Alten bleibt, wäre ja auch wirklich jammerschade, wenn Bayern doch irgendwann keine echten Bayern mehr hat.

Artikel vom 26.04.2012
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