Was die Haarer alles vergessen, liegen lassen und verlieren

Haar · Geld, Gebiss und Co.

Irina Rung vom Fundamt der Gemeinde Haar präsentiert eine Kiste voller  gefundener Schlüssel, die bislang nicht abgeholt wurden.	Foto: ikb

Irina Rung vom Fundamt der Gemeinde Haar präsentiert eine Kiste voller gefundener Schlüssel, die bislang nicht abgeholt wurden. Foto: ikb

Haar · »Da, schauen‘s her« – Irina Rung, im Gewerbeamt Haar tätig und für Fundsachen zuständig, öffnet die Tür eines grauen Büroschranks und zieht eine Holzkiste heraus – »alles Schlüssel, davon eine ganze Menge für Autos, die jemand verloren hat, die aber nicht abgeholt werden«.

Die Frau schüttelt leicht den Kopf, kann es einfach nicht verstehen, dass man einen verlorenen Schlüssel – »den braucht man doch« – nicht abholt. Ob Bargeld, Handy oder Fahrrad: Die Liste der verlorenen oder stehengelassenen Sachen füllt ein DIN-A4-Notizbuch, führt Alltagsgegenstände aber auch Kuriositäten und Skurriles auf.

Entsprechend den Vorschriften müssen nicht abgeholte Schlüssel wie auch Handys, deren Besitzer nicht ausfindig gemacht werden konnten, verschrottet werden, wobei natürlich alles minutiös registriert wird. »Aber immer wieder kommt es vor, dass sich jemand viel später meldet und nachfragt«, erklärt Rung. »Deshalb heben wir Schlüssel und kleine Sachen länger auf, die nehmen ja nicht viel Platz weg«. Quasi zum Beweis zieht Rung eine prall gefüllte Plastiktüte aus dem Schrank. Irina Rung und ihre Kollegin Barbara Biller – im Rathaus telefonisch zu erreichen unter 4 60 02 -2 06 oder -3 42 – verwalten Gefundenes nicht nur, sie sind vielmehr richtig detektivisch tätig, oft in Zusammenarbeit mit der Polizei oder mit Geldinstituten. »Allein im Dezember 2011 wurden etwa 40 EC-Karten abgegeben. Finden wir den Namen im Haarer Telefonbuch, dann können wir die Inhaberin oder den Inhaber direkt verständigen. Die restlichen Karten schicken wir den Banken, die dann ihre Kunden kontaktieren«, erzählt Rung. Telefonieren – sofern die PIN eingegeben und die Nummer nicht gesperrt ist – heißt es auch mit den gefundenen Handys. 15 Geräte, teils Topmodelle und damit richtig teuer in der Anschaffung, sind in den vergangenen Monaten abgegeben worden, nur ein Drittel der Besitzer fragte im Fundbüro nach.

Bei zwei iPods indes haben die beiden Damen keinen Ansatzpunkt zur Eigentümersuche, sie können nichts ausrichten, sie sind mit ihrem Latein am Ende. So ergeht es ihnen auch mit einem gefundenen Hörgerät, einem Gebiss, einem Rollator, diversen Brillen und Uhren sowie einem Kinderwagen. Letzteres bewegt Irina Rung: »Wer verliert schon einen Kinderwagen?« Auch Bargeld landet hin und wieder im Fundbüro. »Vor kurzem hatten wir zwei große Beträge, einmal waren es mehr als 5.000 Euro. Die lagen in einem Kuvert unter alten Medikamenten, die eine Frau in einer Schachtel bei einer Apotheke zur Entsorgung abgegeben hatte. Da sich in dem Umschlag auch ein Rezept fand, konnte im Teamwork mit der Polizei die Dame ausfindig gemacht werden«. Wäre dies nicht möglich gewesen, wären die Scheine in die Kasse der Kommune gewandert – für soziale Zwecke und Einrichtungen, an die auch nicht abgeholte, verwendbare Fundgegenstände gehen.

Fast wie in einem Fahrradladen kommt man sich in einem Abteil in der Tiefgarage des Rathauses vor. Mehr als 50 Radl – der eine oder andere Drahtesel ist leicht beschädigt, diverse Tourenräder und auch Mountainbikes glänzen wie neu – stehen und hängen in Reih und Glied. Kein Mensch vermisst ganz offensichtlich diese fahrbaren Untersätze. Wer dennoch nach seinem Zweirad fahndet und es in Haar nicht findet, hat eventuell in den Nachbargemeinden (und auch umgekehrt) Glück. Oft werden die Räder nämlich an einem S-Bahnhof entwendet, zur nächsten Station gefahren und dort einfach abgestellt. Ungeachtet dessen ist das Haarer Lager voll. Die Räder werden deshalb verkauft, mit dem Erlös unterstützt die Gemeinde Hilfsbedürftige. Für Schnäppchenjäger eine einzigartige Gelegenheit: Ein Radl kostet zehn Euro. ikb

Artikel vom 24.04.2012
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