»Zur Schnecke gemacht«

Untergiesing. · Ein weiteres Postamt, diesmal in der Agilolfingerstraße, fiel in einer Blitzaktion dem großen Poststerben zum Opfer.

Als die Kunden am 23.4.01 in das Postamt wollten, standen sie vor verschlossener Tür. Was viele Untergiesinger befürchtet hatten und verhindern wollten ist eingetreten. Für besondere Verärgerung sorgte die Art und Weise der Schließung.

Es gab keinerlei Vorankündigung in den Medien und wenn man dann vergebens vor dem Postamt stand konnten die Bürger neben viel Werbung einen Hinweis ausmachen, dass ab 30.4.01 das Amt dauerhaft geschlossen und im Fotogeschäft Gall in der Hans Mielich Straße 3 eine Postagentur eröffnet. Anscheinend wollte die Post AG mit diesem Überraschungscoup den Bürgerprotesten aus dem Weg gehen.

Denn Anfang September 93 rief Melly Kieweg hunderte von Demonstranten zum »Almaufstieg« vom Postamt in der Agilolfingerstraße zur 20 Minuten entfernten Hauptpost am Tegernseer Platz in Obergiesing. Die Demo bewies, dass der steile Umweg für die überproportional im Einzugsbereich lebenden Behinderten, Alten, aber auch mittleren und kleinen Geschäftsleuten eine Zumutung war. Kieweg bombardierte Ämter und Behörden mit Briefen und sammelte über 2500 Unterschriften und an die 100 Unterstützungsschreiben bei Geschäftsleuten, Schauspielern, Nachbarn und anderen Institutionen.

Diese Unterschriftenlisten und viele Argumente gegen die Schließung des Postamtes überreichte sie dem Vorsitzenden des Petitionsausschusses des Bayerischen Landtages mit Erfolg! Am 15. November 1993 sprach sich der Ausschuss für den Erhalt des Amtes aus und die Sensation war perfekt. Denn nur 2 Postämter überlebten das große Filialsterben – das Postamt 806 war eines davon!! Vor 2 Jahren wurde der zuständige Bezirksausschuss nach Gerüchten über die erneute Schließung des Postamtes aktiv und bat bei der Post um Auskunft über die Zukunft der Filiale. Aus dem Antwortschreiben vom 16. August 1999 »Wir haben nicht vor uns von diesem Standort zurückzuziehen«.

Nun ist das Postamt weg und die Agentur da. Postsprecher Hilger beruhigt: »Die Post hat nicht die Absicht, sich aus diesem Gebiet zurückzuziehen«. Das Ende des Postamtes sei jetzt gekommen, da man mit Marcel Wirth, Inhaber des Fotogeschäftes Gall, einen »kompetenten Agenturpartner« gefunden habe.

Die Initiatorin der damaligen Bürgeraktion befürchtet dennoch, dass die Versorgung mit postalischen Leistungen langfristig nicht gesichert ist. »Was wird, wenn der Agenturnehmer nach einem halben Jahr aufhört, weil die Arbeit des gut besuchten Postamtes in dem winzigen Laden nicht zu schaffen ist?« Für den Fall kündigt Kieweg schon mal weitere Bürgeraktionen an. N.F.

Artikel vom 23.05.2001
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