Vorbild für junge Soldaten – Auditorium Maximum nach Hans Scholl benannt

Harthof · Sanitätsakademie würdigt Widerstandskreis »Weiße Rose«

Prominente Ehrengäste beim Festakt: Zeitzeugin Hildegard Hamm-Brücher (links), Prinz Wolfgang von Bayern und Dr. Hildegard Kronawitter, Präsidentin der »Weiße-Rose-Stiftung«.	Foto: ws

Prominente Ehrengäste beim Festakt: Zeitzeugin Hildegard Hamm-Brücher (links), Prinz Wolfgang von Bayern und Dr. Hildegard Kronawitter, Präsidentin der »Weiße-Rose-Stiftung«. Foto: ws

Harthof · Soeben wurde Generalarzt Dr. Stephan Schoeps vom Kommando über die Sanitätsakademie der Bundeswehr an der Ingolstädter-/Neuherbergstraße am Harthof entbunden, neuer Kommandeur ist Dr. Norbert Weller.

In dem Komplex werden Ärzte und Sanitäter der Bundeswehr für ihre Auslandseinsätze in Kriegsgebieten wie Afghanistan ausgebildet – zum Großteil im zentralen Hörsaal, dem Auditorium Maximum mit 446 Sitzplätzen. Er wurde kürzlich bei einem Festakt nach dem Widerstandskämpfer Hans Scholl von der »Weißen Rose« benannt. Damit würdigt die Sanitätsakademie den Widerstand gegen das NS-Regime. Der Widerstandskreis der »Weißen Rose« sei bisher von der Bundeswehr nur am Rande betrachtet worden, sagte der scheidende Kommandeur Schoeps.

Der junge Sanitätssoldat Hans Scholl, der kurz vor seiner Hinrichtung in München am 22. Februar 1943 durch die Nazis wegen Verteilens von Flugblättern an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) noch »Es lebe die Freiheit!« rief, »hat in höchster Weise Mut gezeigt«, so Schoeps. Auch knapp 70 Jahre später diene Scholl als Vorbild für die jungen Soldaten in der Sanitätsakademie bei ihrer Ausbildung zu Sanitätsoffizieren. »Jeder ist aufgefordert, seine Meinung frei zu artikulieren und gegen den Strom zu schwimmen. Nur so werden unsere Lehrgangsteilnehmer zu mündigen Staatsbürgern in Uniform und zu Sanitätssoldaten, immer der Menschlichkeit verpflichtet«, betonte Schoeps.

Untergebracht in der Ernst-von-Bergmann-Kaserne, »ist die Sanitätsakademie eine Riesen-Dienststelle im Münchner Norden, ein Riesen-Schulbetrieb, wir machen eine tolle Ausbildung«. Mit diesen Worten hatte der Generalarzt kürzlich bei der Sitzung des Bezirksausschusses Milbertshofen-Am Hart, die in dem Sanitätsamt stattfand, die Einrichtung beschrieben, die auch nach der Bundeswehrreform dauerhaft bestehen bleibe. Die Sanitätsakademie gibt es seit 1956, in dem Komplex sind mehr als 1000 Leute tätig: 350 Ausbilder sowie 700 bis 800 Lehrgangsteilnehmer, auch von außerhalb, aus dem ganzen Bundesgebiet. Mehr als 10.000 Übernachtungen werden deshalb pro Jahr in der Kaserne notwendig. Die jungen Leute verpflichten sich nach dem Abitur in der Regel für 17 Jahre bei der Bundeswehr.

Sie studieren Medizin, etwa an LMU und TU München, dann sammeln sie praktische Erfahrung im Krankenhaus. Danach kommen sie in die Sanitätsakademie zur notfallmedizinischen Ausbildung: In Afghanistan zum Beispiel versorgten sie Verwundete der Bundeswehr, erläuterte der scheidende Kommandeur, aber auch Verwundete der verbündeten Streitkräfte, der afghanischen Sicherheitskräfte und der Zivilbevölkerung. Bei Einsätzen in Kriegs- und Krisengebieten wie Afghanistan und dem Balkan müssten sich die Sanitäter, Ärzte der Bundeswehr im Zweifelsfall auch selbst verteidigen können. Daher bekämen sie in der Sanitätsakademie außerdem eine militärische Ausbildung mit Schieß- und Gefechtsübungen.

In Afghanistan begleite ein Team aus Medizinern und Rettungsassistenten die deutschen Soldaten bei jedem Einsatz. »Ohne Sanitäter passiert in Afghanistan nichts«, betonte Generalarzt Schoeps. Sie seien in einem Auto des Roten Kreuzes unterwegs. Wenn das Fahrzeug unter Beschuss gerate und ausgeschaltet werde, ziehe sich die Truppe sofort in ihr Quartier zurück. Das Fahrzeug des Roten Kreuzes sei verdeckt im Einsatz, so dass das Auto nicht als Rettungsfahrzeug zu erkennen sei – »weil unsere Leute sich exponiert fühlen«.

In der Sanitätsakademie würden die Mediziner darauf vorbereitet, »unter schwierigsten Bedingungen zu helfen«, erläuterte Schoeps. Bei Temperaturen von 50 Grad Hitze in Afghanistan sei die körperliche Fitness der Bundeswehr-Ärzte absolute Voraussetzung für ihren Einsatz. Sie müssten physisch und psychisch fit und belastbar sein. Derzeit seien rund 4500 deutsche Soldaten in Afghanistan, davon seien zehn Prozent Sanitäter und Ärzte.

Die Frage von Bezirksausschussmitglied Gunhild von Schirach-Wismeth (SPD), ob die Bundeswehr-Ärzte denn unter diesen erschwerten Bedingungen auch bis zum Ende ihrer Dienstzeit blieben, für die sie sich verpflichteten, bejahte Generalarzt Schoeps. Normalerweise würden die 17 Jahre vollgemacht. Im Schnitt seien die Militär-Ärzte 39 Jahre alt, wenn ihr Dienst ende. »Wir haben keine Nachwuchs-Probleme«, berichtete der scheidende Kommandeur auf Nachfrage der Stadtteilpolitiker. Derzeit gebe es sechs Bewerber pro Platz. An LMU und TU München seien momentan rund 120 Medizinstudenten als angehende Bundeswehr-Ärzte in Ausbildung.

Die Bezirksausschussvorsitzende Antonie Thomsen (SPD) wies schließlich daraufhin, dass die Sanitätsakademie eine sehr bedeutende Einrichtung sei, aber leider im Viertel zu wenig wahrgenommen werde. Es handele sich im Übrigen um eine Lehrakademie. W. Schmidt

Artikel vom 02.04.2012
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