Im Krankenhaus Schwabing gibt es jetzt »Klinik-Info türkisch«

Schwabing · »Einfach menschlich«

Ruth Hofmann und Ahmet Incel helfen türkischen Patienten unter anderem bei Sprachproblemen im Schwabinger Krankenhaus. 	Foto: scy

Ruth Hofmann und Ahmet Incel helfen türkischen Patienten unter anderem bei Sprachproblemen im Schwabinger Krankenhaus. Foto: scy

Schwabing · Man stelle sich vor, man wäre in einem fremden Land. Von der Sprache, die dort gesprochen wird, versteht man kein Wort. Und dann auch noch das: Man wird in ein Krankenhaus eingeliefert. Man wüsste natürlich gerne, was mit einem passiert. Doch man versteht nichts. Eine scheußliche Situation.

So erleben es auch hierzulande Menschen mit Migrationshintergrund, die sich mit der deutschen Sprache schwer tun. Doch das Klinikum Schwabing will die Betroffenen nicht alleine lassen. Mit »Klinik-Info türkisch« bietet das Krankenhaus einen neuen kostenlosen Service an, der die Versorgung nichtdeutscher Münchner Bürger verbessern soll. Seit Anfang März können sich türkischsprachige Patienten in ihrer Muttersprache telefonisch oder persönlich rund um das Krankenhaus und seine Leistungen informieren. »Unser Ziel ist es, Patienten mit Sprachbarrieren eine Möglichkeit zu schaffen, sich bei persönlichen Anliegen zu informieren«, sagt Ahmet Incel, Ansprechpartner für muslimische Patienten in der Klinik. Und Pflegedienstleiterin Ruth Hofmann, ebenfalls zuständig, ergänzt: »Jeder Mensch soll sich bei uns willkommen fühlen, egal aus welchem Kulturkreis er kommt.«

Schwangere, Dialyse-, Krebspatienten – sie alle haben jede Menge Fragen, wenn sie die Dienstleistungen der Klinik in Anspruch nehmen wollen. Ahmet Incel gibt jeden Dienstag zwischen 9 und 11 Uhr die Antworten. »Wir können zwar nicht beraten, aber informieren«, sagt er. Zusätzlich sind Incel und Hofmann am Dienstag zwischen 17 und 18 Uhr in der Patientenaufnahme des Klinikums persönlich für türkischstämmige Mitbürger da. »Um Patienten mit Migrationshintergrund optimal versorgen zu können, sind eine verständliche Kommunikation und die Berücksichtigung kultureller Besonderheiten wichtig. Eine wesentliche Rolle spielt dabei eine gute Information«, sagt Klinikleiter Andreas Tiete. Im Jahr 2010 wurde am Klinikum die deutschlandweit erste türkischsprachige Patientenbefragung vorgenommen. Mit einem beachtlichen Ergebnis: 99 Prozent der Befragten zeigten sich zufrieden. »Gleichzeitig wünschen sich unsere Patienten noch mehr Wissen rund um die Klinik«, so Tiete. Insofern sei »Klinik-Info türkisch« ein wichtiger Baustein, diesem Bedürfnis nachzukommen. Rund 50.000 Türken leben in München. »Das mögliche Patientenvolumen ist also nicht gerade unerheblich«, so Incel. Natürlich brauche nicht jeder sprachliche Unterstützung. »Doch besonders die erste Generation der türkischen Einwanderer hat kaum Deutschkenntnisse.« Früher, noch vor rund 15 Jahren, habe man sich kaum mit dieser Problematik befasst. »Das Verständnis hielt sich in Grenzen«, so Incel. Vorstöße, besondere Angebote für türkischstämmige Patienten anzubieten, wurden abgeschmettert. »Da hieß es schon mal, warum muss man denn für die Türken extra etwas machen.« Nun aber gebe es vollen Rückhalt von der Klinikleitung. »Wir werden ernst genommen, und das tut gut«, sagt Incel.

Auch Hofmann begrüßt diese Entwicklung: »Der interkulturelle Dialog liegt uns sehr am Herzen. Es ist wichtig, sich darum zu kümmern. Schön, dass wir unseren Beitrag dazu leisten können.« Und das nicht zum ersten Mal. Innerhalb Münchens und auch deutschlandweit gilt das Klinikum Schwabing als Vorzeigemodell in Sachen Integration. Es wurde beispielsweise 2002 für sein interkulturelles Engagement im bundesweiten Wettbewerb zur Integration von Zuwanderern ausgezeichnet. Doch auf diesen Lorbeeren wollte man sich nicht ausruhen. »Man kann immer noch mehr machen, sich immer noch mehr öffnen«, so Hofmann. Schritt für Schritt wurde das interkulturelle Angebot ausgeweitet. Neben Informationsbroschüren gibt es heute unter anderem eine türkischsprachige Selbsthilfegruppe für Diabetiker, einen muslimischen Gebetsraum sowie eine monatlich stattfindende Veranstaltungsreihe mit Gesundheitsinformationen in deutscher Sprache mit türkischer Simultanübersetzung. »Auch hier findet Begegnung statt, plötzlich entwickeln sich Gespräche zwischen Deutschen und Türken, Vorurteile werden abgebaut«, berichtet Incel. Auch im Klinikalltag wird auf besondere Sitten und Gebräuche Rücksicht genommen. Erst jüngst wurden 170 Pflegemitarbeiter im Umgang mit anderen – nicht nur muslimischen – Kulturen geschult. Und bei den Mahlzeiten wird auf kulturelle Besonderheiten ohnehin längst geachtet. Darüber hinaus können Patienten und Angehörige im Klinikum Schwabing bereits seit 1995, wie in allen städtischen Kliniken, den kostenfreien hausinternen Dolmetscherdienst nutzen. Unternehmensweit stehen über 100 geschulte Mitarbeiter aus Medizin und Pflege für mündliche Übersetzungen in insgesamt 35 Sprachen zur Verfügung – am Klinikum Schwabing sind momentan 35 Dolmetscher in 15 Sprachen tätig. Sie unterstützen unter anderem bei der Erstellung von Diagnosen, Aufklärungsgesprächen und Befundübermittlungen.

»In der Muttersprache kommt eine Information einfach direkter an«, sagt Incel. »Wenn ich beispielsweise einem Türken auf Deutsch sage: ›Ihr Fuß wird amputiert‹, dann sagt der ›aha‹. Sage ich ihm das auf Türkisch, so antwortet er anders, mehr über die Emotion, etwa ›Oh, das tut weh‹ oder ›Das macht mir Angst‹.« Den Patienten die Kommunikation in ihrer Muttersprache zu ermöglichen, das sei, so Hofmann, einfach menschlich. »Und so wollen wir mit all unseren Patienten umgehen.« »Klinik-Info türkisch« ist unter der eigens eingerichteten Telefonnummer 30 68 55 56 erreichbar. Weitere Auskünfte unter der E-Mail-Adresse Ahmet.Incel@klinikum-mu enchen.de und im Internet unter www.klinikum-muen chen.de.

Nächste Termine der Vortragsreihe mit türkischer Simultanübersetzung: Donnerstag, 22. März, von 17.00 bis 18.30 Uhr, Augenprobleme bei Diabetikern, Referent Joachim Günther. Donnerstag, 19. April, von 17.00 bis 18.30 Uhr, Magen- und Darmerkrankungen, Referent Ingo Hoegl, im Krankenhaus Schwabing, Kölner Platz 1, Verwaltungsgebäude, erster Stock im Ärztecasino. Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 20.03.2012
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