„Da schau her!“ Albrecht Ackerland über ein seltsames Mitmischen

München · Ohne Moos nix los

München · Endlich weiß ich, was ich meinen soll. Der FC Bayern hat mir die Kraft gegeben. Und der Drittligist der Herzen von der Grünwalder Straße blutgrätscht sich gratis dazu: Wir singen das Hohelied der dritten Startbahn. Und jetzt alle: Ja, ich will.

Viel zu lange haben die ewigen Nörgler das Sagen, wenn es um die heilige Bodenversiegelung im Erdinger Moos geht. Die Meinungshoheit mit Anstand in Sachen dritter Startbahn am Münchner Flughafen kam bis dato von denen, die immer nur die Umwelt, die Natur, die Menschen im Blick haben. Herrgott noch mal, in diesen harten Zeiten geht es doch um mehr. Endlich setzen also hart ums Überleben kämpfende Münchner Wirtschaftsbetriebe ein Zeichen. Firmen, die angewiesen sind auf Wachstum und Fortschritt. Unternehmen wie der Tierpark Hellabrunn oder der Fußballclub Nürnberger Bratwurst zu Bayern, Säbener Straße.

Wenn schon die große Koalition aus SPD und CSU zwar betonfest für eine Erweiterung des Flughafens ist, aber doch allzu leise daherkommt, dann braucht es eine ganz große Mooskoalition, die sagt, wo‘s langgeht. Ohne Moos nix los, im Moos schon gleich bald gar nicht mehr – wenn nicht endlich der Zukunft auf die feuchten Lippen geküsst wird, und dem historischen Vogelschutzgebiet Erdinger Moos das letzte Wasser abgegraben wird. Die Vögel sollen fliegen, die ganz Großen, Airbus 380, Boeing Dreamliner. Mehr Starts, mehr Landungen, mehr Check-Ins, höhere Passagierzahlen. Seit der Beppi in der Boazn von der „Drehscheiße Strauß“ gesprochen hat, rede ich kein Wort mehr mit ihm. Der Mann hat keine Ahnung, das weiß ich, weil der FC Bayern und der Zoo mir geholfen hat mit meiner ganz eigenen Meinung. Die lautet eben neuerdings: Ohne die Drehscheibe FJS wird es München bald gehen wie Baku in Aserbaidschan. Keiner will mehr hin.

Wer will das schon wollen? Unser München hängt am brüchigen Moorgrashalm. Die Mieten stagnieren, im Stadthaushalt klaffen Löcher tief wie Torfstiche, Unternehmen wandern ab, zahlungskräftige Menschen sowieso, die ersten Häuser am Glockenbach und in der Au stehen schon leer, wir sind jetzt schon auf edle Spenden von Russen und Arabern angewiesen, um die Bausubstanz in der einstigen Isarmetropole wenigstens halbwegs zu erhalten. Aber zum Glück wird alles gut werden, wir sagen alle kräftig „Ja! Ja! Ja!“, wenn am 17. Juni darüber abgestimmt wird, ob die Startbahn denn nun gebaut werden soll. Das will der FC Bayern so. Und der Zoo will es auch. Letztgenannter soll angeblich schon angeboten haben, sich der verbliebenen Naturschützer anzunehmen, ein Gatterl ginge schließlich immer, sei ja auch schützenswert, so eine gestrige Haltung, die ewigen Drang nach Wachstum bremsen will.

Artikel vom 15.03.2012
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