Schwabinger Verein vergibt gratis Tickets für Kulturereignisse

Schwabing · Wieder mit dabei

»Niemand soll vom kulturellen Leben ausgeschlossen werden«: Dafür engagiert sich Gabriele Forstner bei »KulturRaum München«.	Foto: scy

»Niemand soll vom kulturellen Leben ausgeschlossen werden«: Dafür engagiert sich Gabriele Forstner bei »KulturRaum München«. Foto: scy

Schwabing · Sie hatte ein Leben wie so viele andere auch. Ein gutes Leben, einen guten Job. Ein schwerer Unfall änderte alles. Nicole (Name geändert) wurde krank, verlor ihren Job, heute ist sie arbeitslos. »Ich kann mir gar nichts leisten, schon gar keine Extras«, sagte die 38-Jährige.

Kino, Theater, Kabarett, Konzerte – überhaupt nicht dran zu denken. Trotzdem, neulich war Nicole auf einem Konzert in der Muffathalle. Und vor kurzem bei einem Klassik-Event in der Residenz. Ein kleines Wunder. »Ich kann es immer noch nicht so richtig fassen«, sagt sie mit leuchtenden Augen. Zu verdanken hat sie das dem Projekt »KulturRaum München«, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, bedürftigen Bürgern kostenlose Eintrittskarten zu Kulturveranstaltungen zu vermitteln. »Wir arbeiten ähnlich wie die ›Tafeln‹, nur verteilen wir keine Lebensmittel, sondern Tickets, sagt die ehrenamtliche Mitarbeiterin Gabriele Forstner. »Denn niemand soll vom kulturellen Leben ausgeschlossen werden.« Draußen zu stehen, das fühlt sich, wie Nicole erzählt, und wie sich jeder leicht vorstellen kann, »ziemlich scheußlich« an. »Du verlierst deinen Job und plötzlich geht gar nichts mehr, du bist einfach nicht mehr dabei«, sagt sie.

Statt mittendrin also nur noch Zaungast. »Wer nicht mehr ins Kino gehen kann, nicht mehr in Konzerte oder ins Theater, der ist in einen wesentlichen Teil von Gesellschaft nicht mehr integriert«, sagt Nicole. »Man hat weniger Kontakte, verbringt die Abende meistens zuhause.« Statt Kino erlaubt sie sich dann höchstens mal eine DVD – und sitzt alleine auf dem Sofa. »Manchmal fühle ich mich ziemlich einsam«, sagt die sympathische Blondine, nachdenklich, ernst. Um unter Menschen zu sein, geht sie an manchen Tagen in die Kaufhäuser, bummelt einfach herum, guckt die Dinge nur an, weil sie sich keine kaufen kann, und genießt das Wuseln der Leute um sie herum. Doch durch den »KulturRaum München« ist sie nun wieder ein Stückchen mehr hineingerutscht in die Gesellschaft. »Ich bin so dankbar, ich kann es gar nicht richtig in Worte fassen«, sagt Nicole.

Nicht nur Nicole freut sich über das Angebot. Rund 780 Münchner sind inzwischen »KulturGäste«, rund 2.000 Tickets hat »KulturRaum München« seit seiner Eröffnung Mitte Oktober 2011 vermittelt. »Die Nachfrage ist sehr groß und wird immer größer«, berichtet Gabriele Forstner. Rund 20 ehrenamtliche Mitarbeiter halten die Sache am Laufen, weitere Engagierte werden gesucht. Denn wie das Vorbild Berlin zeigt – dort läuft das Projekt seit über eineinhalb Jahren – ist viel zu stemmen: dort werden bereits monatlich 2.000 Tickets vermittelt, ebenfalls mit Tendenz nach oben. Dass das Projekt von der Kulturloge München überhaupt an den Start gehen konnte, ist unter anderem finanziellen Unterstützern wie dem Kulturreferat und der Stiftung Soziales München der Stadtsparkasse München zu verdanken.

Und natürlich den inzwischen über 25 Kulturpartnern, die kostenlos Karten zur Verfügung stellen. Dazu gehört unter anderem das »theater… und so fort«, Betreiber Heiko Dietz unterstützt die Aktion sehr gerne. »Kulturraum München ist eine tolle Sache. Auf unkomplizierte Art kommen so Leute in den Genuss von Theatererlebnissen, die sie sich sonst nicht leisten könnten«, sagt er. Auch das Volkstheater ist mit dabei. Warum, erklärt Sprecher Frederik Mayet: »Kultur ist ein Motor unserer Gesellschaft und soll für alle Bevölkerungsschichten zugänglich sein. Der Kulturraum hilft ehrenamtlich Menschen an Kultur teilzuhaben, das finden wir sehr unterstützenswert.«

Kulturgast kann werden, wer über ein geringes Einkommen verfügt und zum Beispiel Leistungen zur Grundsicherung, Arbeitslosengeld II oder eine Mini-Rente bezieht beziehungsweise wer den München-Pass hat. Der Anmeldebogen wird bei einem der Sozialpartner ausgefüllt, zum Beispiel bei der Inneren Mission oder beim Caritasverband und der Anmeldeabschnitt an den »KulturRaum München« weitergeleitet. Deren Mitarbeiter rufen die Interessenten an, wenn Karten aus dem jeweiligen Interessensgebiet – ist im Anmeldebogen anzukreuzen – zur Verfügung stehen und der kann dann entscheiden, ob er das Angebot annimmt oder nicht. Wichtig: Niemand muss Sorge haben, dass er sich als bedürftig zu erkennen geben muss. Die Eintrittskarten werden einfach an der Abendkasse auf den Namen des Interessenten hinterlegt. »Es wäre furchtbar für mich, wenn meine Sitznachbarn wüssten, dass da jemand sitzt, der sich das sonst nicht leisten könnte«, erzählt Nicole. »Arm sein, besonders in München, das gibt niemand gerne zu. Dafür schämt man sich.« Doch jetzt, so sagt sie, da sie wieder ein bisschen Teil hat am kulturellen München, fühle sich ihr Leben ein Stück weit besser an.

Besonders schön findet sie, dass je Veranstaltung zwei Karten zur Verfügung stehen – man kann also eine Begleitperson einladen. »Das Gefühl, zu Freunden zu sagen: heute Abend bist du mein Gast, ich lad dich ein, das ist einfach großartig«, sagt Nicole. »Das hatte ich schon lange nicht mehr.«

Weitere Informationen über »KulturRaum München«, Dachauer Straße 114, gibt es unter der Telefonnummer 55 26 71 83 und im Internet unter www.kulturraum-muenchen.de. Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 14.02.2012
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