„Da schau her!“ Albrecht Ackerland über die Kälte

München · Zum Thema der Woche: Wärmebusse für Obdachlose

Ich habe das Glück, eine Wohnung zu haben mit einer Heizung, die funktioniert. Dem Rolli aus der Boazn erging es weniger gut: Seine Gastherme hat pünktlich zur Eiszeit den Geist aufgegeben. Sie ist offenbar nicht die Einzige, die diese besondere Art von Humor pflegt, denn ein Monteur, der den Wärmespender wieder zum Laufen bringt, ist offenbar seit Tagen nicht herzubekommen. Der Rolli wiederum nimmt das Ganze mit etwas weniger Humor.

Anstatt sich zu freuen, dass er eine schöne Gelegenheit hat, einmal öfter zum Beppi in sein Lokal zu gehen, grantelt er rum. Zwar sitzt er trotzdem beim Beppi rum, sobald der seinen Zapfhahn aufmacht, aber für den Rolli ist das noch lange kein Grund, nicht stundenlang über alles zu schimpfen, was ihm in den Sinn kommt. Ist ja schon auch verständlich: Irgendjemanden findet er dort immer, dem er sein Leid klagen kann, und der dabei auch noch so tut, als höre er zu. Daheim würde das freilich ungleich schwieriger: So einem offenen Backofen, mit dem der Beppi neuerdings seine Wohnung versucht zu heizen, hat man seine Geschichten schnell auserzählt. Da hilft die ganze Temperatur auf Schweinsbratenhöhe nichts.

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Nun sitzt der Rolli also im Stüberl und beschwert sich: dass er nicht rauchen darf; dass der Sommer dieses Jahr schon wieder nichts mehr wird. Das könne man ganz leicht jetzt schon erahnen. Dass nur so wenig Schnee liegt. Früher, als er in die Schule ging, da musste er noch von Oktober bis Mai durch meterstarke Tiefschneefelder stapfen und deshalb schon um vier in der Früh aufstehen, um rechtzeitig anzukommen. Offenbar war das schön, denn als der Rolli das so erzählt, bekommt er einen Glanz in den Augen, der nicht nur vom Williamsbrand kommen kann, den er als Ersatzheizung in sich hineinleert. Das waren noch Winter, sagt der Rolli, und heute, heute ist es nur noch kalt. So eine Kälte hätte es früher nicht gegeben, und die Heizungen waren auch schon mal besser. Vor ein paar Tagen hat es mir dann gereicht. Die Boazn kam in den Genuss eines kleinen Referats über den Vorteil der Minusgrade. Die erste Maß im Biergarten schmeckt dadurch ungleich besser. Der Tiefkühlschrank kann endlich einmal abgetaut werden. Die Motten im Wollpullover lassen sich endlich ausmerzen, weil es bei der Kälte reicht, ihn für eine Nacht auf den Balkon zu hängen. Im Garten erfrieren die Schneckeneier. Im nächsten Sommer dann kann man sich freuen, wenn doch noch so einige Schnecken durchgekommen sind, wenn die Motten wieder fleißig flattern, und die Heizung kein Mensch braucht, weil die 16 Grad, die es im Juli haben wird, doch reichen. Der Rolli hat leider nur den Kopf geschüttelt.

Artikel vom 11.02.2012
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