Liegt das »legendäre Schwabing« nun doch im Sterben?

Schwabing · Alle Künstler raus…

Alfred Dardas letzte Tage in Schwabing: Der Künstler kann sein Atelier an der Adalbertstraße nicht mehr halten.	Foto: scy

Alfred Dardas letzte Tage in Schwabing: Der Künstler kann sein Atelier an der Adalbertstraße nicht mehr halten. Foto: scy

Schwabing · Man hört die Frage immer wieder, sie hält sich hartnäckig, und das nicht nur in Künstlerkreisen: »Ist Schwabing tot?« Gemeint ist das legendäre Schwabing, in dem unter anderem Größen wie Thomas Mann, Wassily Kandinsky und Rainer Maria Rilke lebten.

Ist lange her und fast schon gar nicht mehr wahr. Denn heutzutage treibt es die Künstler regelrecht raus aus der einstigen Künstlerhochburg. Mietpreise klettern in schwindelnde Höhen, unbezahlbar für mehr und mehr Menschen, insbesondere für freischaffende Künstler. Selbst ein Urgestein der Szene, Alfred Darda, kann sein Atelier an der Adalbertstraße 55 nun nicht mehr halten.

Nach über 45 Jahren packt er die Koffer und zieht aufs Land, ins Allgäu. »Ich stecke im Abschiedsschmerz, es fällt mir wirklich nicht leicht«, so der leidenschaftliche Maler. »Doch hier in München ist´es einfach zu teuer. Ich will ja nicht nur für die Miete arbeiten.« So wie es also aussieht, ist das mythenumwobene Schwabing noch nicht tot, aber es liegt im Sterben. Große Sorgen um diese Entwicklung macht sich unter anderem auch Brigitta Rambeck. »Man hat doch hier nur noch ein Herz für Reiche, aber wo bitte bleibt das Herz für unsere Künstler?«, fragt die Malerin und Leiterin der Künstlervereinigung »Seerosenkreis«. Sie sagt, sie kenne viele junge Künstler, die es gar nicht erst in München versuchen und andere, die in winzigkleinen Appartements hausen müssen. Und es werde immer schlimmer, so Rambeck. Alteingesessene, die sich bereits einen Namen gemacht haben, erwische es auch, sie würden an den Rand oder regelrecht raus gedrängt, etwa wenn deren Atelierswohnungen luxussaniert werden. »Ich frage mich ernsthaft, ob man in dieser Stadt überhaupt noch freischaffende Künstler haben will«, sagt Rambeck.

Besonders trauriges Beispiel: das Ende der Traumstadt Malura. Einst, im vorigen Jahrhundert, war die Traumstadtwohnung an der Kaulbachstraße 75 Anlaufstelle für zahlreiche Künstler, allen voran Peter Paul Althaus. Die damaligen Besitzer Friedl und Oswald Malura hatten schließlich das Traumstadthaus im Jahr 1989 als Stiftung an die Stadt München bestimmt – doch durch unvorhersehbare Fremdeinwirkung ging es in andere Hände über. Sohn Andrew Malura hatte nicht genug finanzielle Mittel für den Rückkauf der väterlichen Wohnung. Trotzdem, die Stätte sollte nicht aufgegeben, sondern gemeinnützigen kulturellen Zwecken zugeführt werden. Angedacht war unter anderem die Errichtung eines Schwabing-Museums.

Eine Ende Juli spontan ins Leben gerufene Rettungsaktion aber scheiterte – das Aus für die ehrgeizigen Pläne kam im Januar – auch hier aus Kostengründen. »Egal, wohin man blickt, überall fällt die Kunst dem Gewinn- und ­Machtstreben zum Opfer«, bedauert Darda und fragt sich: »Was soll nur werden aus einer Gesellschaft, die die Kunst mehr und mehr abschafft?«

Über den Wert von Kunst könnte er stundenlang philosophieren: »Seit ich mit der Kunst lebe, ist das Leben reicher, farbiger und fantasievoller geworden. Mir ist klar geworden, dass der Sinn des Lebens darin besteht, ein Lebenskünstler zu werden.« So ungern er auch sein geliebtes Schwabing verlässt, er möchte aus der Not eine Tugend machen. »Im Allgäu möchte ich den Kontakt zur Natur intensivieren. Die Natur ist die stärkste Kraft«, so der Maler. Und ihr Potenzial, und dafür ist Darda bekannt, nutzt er für seine Werke. »Meist sind es Fundstücke, die ich verwende, die ihrem eigentlichen Zweck entronnen sind, die sich durch Verwitterung, Erosion und andere Naturprozesse in Poesie verwandelt haben«, erklärt Darda, der sich immer auch für andere stark gemacht hat. Beispielsweise in Seminaren die Kreativität von Kindern und Jugendlichen geweckt und gefördert sowie Plattformen für andere Künstler geschaffen hat. Unter anderem wurde auf seine Initiative hin im Jahr 1979 die Galerie in der Rathaushalle ins Leben gerufen.

Darda öffnet nun sein geräumiges Atelier zum letzten Mal für die Öffentlichkeit: Eine allerletzte Wochenendausstellung findet in den fast leeren Räumen in der Adalbertstraße 55 statt und zwar am Freitag, 10. Februar, ab 19 Uhr, Samstag, 11. Februar, und Sonntag, 12. Februar, von 11 bis 20 Uhr. Neben neuen Arbeiten zeigt er auch Bilder aus früheren Werkphasen. Dem besonderen Anlass entsprechend, verkauft er viele Werke zu besonders sammlerfreundlichen Preisen. Einige Originale sind ab 100 bis 150 Euro zu haben. Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 07.02.2012
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