Freestyle-Skateboarder machen Deutschen Meister aus

München · Einfach nicht totzukriegen

Günter Mokulys, neunfacher Weltmeister und Sieger am Samstag, beim Handstand. Foto: jl

Günter Mokulys, neunfacher Weltmeister und Sieger am Samstag, beim Handstand. Foto: jl

München · „Wir sterben seit 25 Jahren“, brüllte Georgeo Czerwinski ins Mikrofon, „aber wir sind einfach nicht totzukriegen.“ Dann forderte der Moderator eine gewisse „Yil“ dazu auf, die Musik lauter zu drehen.

„Yil“, das ist die Münchnerin Yildiz Saglik, eine von nur zwei bis drei Frauen in der gesamten Bundesrepublik, die Freestyle Skateboarden betreiben. Am vergangenen Wochenende, als in der Freisinger Tollhaus Actionhall, die ersten offiziellen Deutschen Meisterschaften in dieser fast ausgestorbenen Sportart stattfanden, war Saglik jedoch nur als DJ dabei, aus Verletzungsgründen konnte sie am Wettbewerb nicht teilnehmen.

Dass es in Deutschland nur zwei bis drei Freestyle Skateboarderinnen gibt, ist eine Schätzung. Die gesamte Gemeinde zählt nur etwa 50 bis 60 Aktive. Und Saglik hat „bisher nur einmal eine Frankfurterin auf einem Contest getroffen“, sonst ist sie oft alleine unter Männern, oder besser: unter Tänzern. Wenn die Münchnerin über ihren Sport redet, gerät sie ins Schwärmen: „Freestyle ist höchst akrobatisch, man braucht viel Feingefühl. Man tanzt mit seinem Skateboard. Das Board ist wie ein Tanzpartner, mit dem man vernünftig umgehen muss, um was aufs Parkett zu legen.“ Und tatsächlich, das Freestylen, das als die Urform des Skateboardens gilt, in Sachen Popularität von der Street-Variante aber fast völlig verdrängt worden ist, erinnert oft an Tanzen. Viele Fahrer bauen Breakdance-Elemente in ihre Läufe ein, andere machen Handstände oder drehen Pirouetten.

Günter Mokulys ist neunfacher Weltmeister, seit Samstag darf er sich auch Deutscher Meister nennen. Auch für ihn macht die Artistik den großen Reiz an seinem Sport aus, den er seit über 20 Jahren professionell betreibt, das ganze Jahr auf Events in Brasilien, Japan oder den USA unterwegs ist. „Es gibt wenige Regeln, wir Freestyler können in höchstem Maße kreativ sein. Fast jeder Fahrer erfindet die meisten seiner Tricks selbst“, sagt Mokulys, der mittlerweile 48 Jahre alt ist, auf seinem Board aber wirkt wie ein 18-Jähriger, wenn er etwa im Knien auf nur zwei Rollen fährt oder einen Handstand auf nur einem Arm macht und mit dem anderen das Skateboard durch die Luft schleudert, ehe er wieder darauf landet.

Vor knapp einem Jahr erst wurde Yil Saglik von dieser „Akrobatik“ verzaubert, wie sie sagt. Und damit hat sie es. Im Beruf hat sie mit Steuererklärungen zu tun, auch das sei „Akrobatik mit Zahlen“. In ihrer Freizeit, wenn sie nicht verletzt ist, zieht es die 30-Jährige oft vor das europäische Patentamt in München. Das ist ihr Lieblingsort, um dem Freestylen nachzugehen. Dort trifft sie dann auch oft Horand Thönges, der vor wenigen Monaten das Label „Freestyle Rocket“ in München gründete und die Deutschen Meisterschaften organisierte. Thönges zeigte sich nach der Veranstaltung glücklich: „Das hat uns richtig nach vorne gebracht.“ Sein Ziel ist es, diese „fast vergessene Kunst wieder aufleben zu lassen“. Noch am Samstag gingen Anfragen von einem Basketball-Verein wegen Vorführungen bei Spielpausen und von Jugendzentren wegen Freestyle-Kursen bei Thönges ein.

Auf die Frage, ob die Sportart denn überhaupt eine Zukunft habe, antwortet Yil Saglik: „Es ist schwer zu sagen, ob wir den Nerv der Zeit treffen. Ich denke, wenn wir weitere Veranstaltungen machen und mehr Präsenz erlangen, könnten wir die Jugend animieren.“ Die sei vor allem wegen der Masse an Fahrern zur Street-Variante hingezogen, bei der die Fahrer in Halfpipes möglichst hoch springen oder über Geländer und alle möglichen Hindernisse rutschen. Im kommenden Jahr will Horand Thönges auf jeden Fall wieder ein Event in Freising organisieren, dann „mit mehr Zeit und noch mehr Topfahrern aus aller Welt“, wie er sagt. Schließlich will man zeigen: Auch nach 26 Jahren langsamen Aussterbens ist man immer noch nicht totzukriegen. Von Jan Lüdeke

Artikel vom 19.01.2012
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