Das Biergarten-Jubiläumsjahr 2012 wird mit Eisschneiden eröffnet

München · Münchner Tradition seit 200 Jahren

Vergangene Woche wurde von Dr. Jannik Inselkammer, Christoph Hillenbrand und Dr. Gabriele Weishäupl (v.l.) das Tourismusjahr „200 Jahre Biergarten” eröffnet. Foto: Stadt

Vergangene Woche wurde von Dr. Jannik Inselkammer, Christoph Hillenbrand und Dr. Gabriele Weishäupl (v.l.) das Tourismusjahr „200 Jahre Biergarten” eröffnet. Foto: Stadt

München · Mit dem Traditionellen Eisschneiden eröffnete das Tourismusjahr „200 Jahre Biergarten”.

Es eröffneten Dr. Jannik Inselkammer, der zweite Vorstand des Vereins Münchner Brauereien sowie Geschäftsführer und Gesellschafter der Augustiner Brauerei, Christoph Hillenbrand, der Vorsitzende des Tourismusverbandes München-Oberbayern, und Dr. Gabriele Weishäupl, Tourismusdirektorin der Landeshauptstadt München, das Tourismusjahr „200 Jahre Biergarten” im Augustiner-Keller, der 1812 bereits im Münchner Stadtplan belegt ist.

Vor 200 Jahren, am 4. Januar 1812, wurde von Bayerns König Max I. durch allerhöchstes Reskript erlaubt, dass Brauereien direkt am Ort der Herstellung ihr Bier ausschenken dürfen: „Es ist den Bierbrauern gestattet, auf ihren eigenen Märzenkellern in den Monaten Juni, Juli, August und September selbst gebrautes Märzenbier in Minuto zu verschleißen, und ihre Gäste dortselbst mit Bier und Brod zu bedienen. Das Abreichen von Speisen und anderen Getränken bleibt ihnen aber ausdrücklich verboten.“ Die bayerische Biergarten-Tradition wurde hiermit geboren. Allerdings standen die Brauer damals vor dem Problem, das im März gebraute Bier den Sommer über genießbar zu halten. Bier kann nur bei einer Temperatur von etwa sieben bis acht Grad Celsius längere Zeit gelagert werden. Da es noch keine Eismaschinen gab – der Münchner Professor Carl von Linde reüssierte erst 1877 mit einer in Brauereien einsetzbaren Kältemaschine -, musste bei der notwendigen Kühlung auf die Natur gesetzt werden: Das Eisschneiden zur Kühlung in Eiskellern stand somit am Anfang jeder Biergartensaison.

Der Brauer- und Mälzerkalender von 1880 mahnte die Leser im Januar: „Mit Eis stopf's Deine Keller voll, wenn dir dein Bier gelingen soll!” Im ganzen Umland werkelten in der kalten Jahreszeit fleißige Arbeiter bei der Eisernte in Flüssen, Seen, Teichen oder in sogar eigens angelegten Eisweihern. Selbst der König verdiente an dem kostbaren Naturprodukt, in dem er den Nymphenburger Kanal verpachtete. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges bedienten sich die Münchner Brauereien aus den Kanälen und Teichen des Nymphenburger Schlossgartens.

Das Einbringen des kostbaren Gefriergutes erfolgte nach einem bewährtem System. Mit von Hand gezogenen Eispflügen ritzten jeweils mehrere Männer ein schachbrettartiges Muster in die gefrorene Wasseroberfläche. Die Pflugschar bestand dabei aus einer Reihe sich hintereinander aufbauender Metallzähne, die sich immer tiefer in die manchmal fast 50 Zentimeter starke Eis-decke eingruben. Die letzte Hälfte wurde dann mit grobzahnartigen Stielsägen nach unten ins Wasser stoßend von den Männern der Länge nach durchgeschnitten. Die langen Riegel wurden nun mit hakenbewehrten Stangen zum Ufer geflößt und dort mit Hammer und Stößel den Querrillen nach in gleichförmige Blöcke geteilt. Waren die Bierkeller in unmittelbarer Nähe, konnten die Brauer das Eis direkt in die unterirdischen Lager schaffen. Aber auch auf Pferdegespannen geladen oder später mit der Eisenbahn kamen die Eisvorräte in die Keller der Brauereien.

Einfach und wirkungsvoll ließ sich über sogenannte „Eisgalgen“ auf den Bierkellern die dringend benötigten Kältespender gewinnen. Hierzu errichteten die Brauer große Holzgerüste, rund fünf Meter hoch und bis zu zehn Meter lang, die bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt über Leitungen ständig mit Wasser berieselt wurden. So formten sich gewaltige, oft meterlange Eiszapfen. War jede Strebe des Gerüsts dicht an dicht mit Eiszapfen besetzt, wurde das Eis vom Galgen geschlagen und direkt über eine Luke in den bis zu 150 Kubikmeter Eis fassenden Kellerraum gefüllt. Durch große, unterirdische Öffnungen strömte die Eiseskälte in die Bierkeller. Wochen-, ja monatelang sorgten die Zapfen für günstige Temperaturen zur Reifung und Lagerung der Biere. Und irgendwann entsorgten sie sich einfach selbst: Sie schmolzen und flossen durch die Kellerböden einfach ins Grundwasser ab.

In milden Wintern mussten allerdings die Alpengletscher das nunmehr unentbehrliche Kühlmittel liefern. Dann fuhren beispielsweise die Karren der Augustiner-Brauerei bis hinter den Brennerpass nach Südtirol, um das gefrorene Wasser heranzuschaffen. In den Räumen des Münchner Bier- und Oktoberfest-Museums in der Sterneckerstraße ist das Original Handwerkszeug der Eisschneider heute noch zu sehen.

Artikel vom 15.01.2012
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