Kickboxer Jonny Keta fühlt sich in München heimisch

München · Vom Tellerwäscher zum Weltstar

Frischgebackener Weltmeister im Schwergewicht: Jonny Keta beim WM-Kampf am 19. November 2011 im Circus Krone. Foto: Bene Müller

Frischgebackener Weltmeister im Schwergewicht: Jonny Keta beim WM-Kampf am 19. November 2011 im Circus Krone. Foto: Bene Müller

München · Ein Blick an die Wand über dem Schreibtisch von Jonny Ismail Keta sagt vieles über den Kickboxer. Keta ist ein Familienmensch, deshalb hängt dort ein Bild seines mittlerweile eineinhalbjährigen Sohnes Gjergj, wenige Monate nach seiner Geburt, in einem Strampler mit dem Aufdruck „Ich liebe Boxen“.

Daneben hängen zwei Flaggen – die albanische und die deutsche. Keta fühlt sich beiden Nationen zugehörig. „Ich bin Albaner im Herzen“, sagt er, „aber Deutscher in Vernunft und Respekt.“ Als er am 19. November dieses Jahres im Alter von 34 Jahren Weltmeister im Schwergewicht wurde kämpfte er deshalb auch unter deutscher Flagge.

Die Geschichte des Jonny Ismail Keta ist eine besondere, der Weg zu seinem ersten Weltmeistertitel war lang und beschwerlich. Am 1. Dezember feierte der Kickboxer seinen 35. Geburtstag, nach Deutschland kam er bereits im Alter von 19. Davor lebte er mit seiner großen Familie in einer kleinen Stadt in Albanien. Der Vater arbeitete wie fast alle Bewohner in einem Bergwerk, deshalb musste sich Keta früh auch um seine vier Geschwister kümmern, darunter Mike Gjetan Keta, ein in Deutschland bekannter Profiboxer, mit dem Jonny mittlerweile ein Kampfsportzentrum in der Leopoldstraße betreibt. Im kommunistischen Albanien während Ketas Jugend waren alle Sportarten außer Fußball und Ringen verboten. Der junge Ismail – den Spitznamen Jonny bekam er in Deutschland verpasst – aber interessierte sich dafür nicht. Als der Kommunismus sich dem Ende zuneigte, sah er im Fernsehen den Film „Rocky“ mit Sylvester Stallone in der Hauptrolle. Daraufhin besorgte er sich zwei Autoreifen und einen Stock und imitierte Rockys Trainingsmethoden. An einem Seil kletterte er mehrmals täglich das dreistöckige Wohnhaus der Familie hoch und runter. Aus dem Sitz eines Traktors bastelte er sich sogenannte „Pratzen“, mit denen Boxer trainieren. „Ich habe mich gefühlt wie ein toller Boxer“, erzählt Keta.

Jeden Morgen stattete der Teenager seiner Großmutter einen Besuch ab, in der Hoffnung, ein frisch gelegtes Hühnerei zu ergattern. Das trank er nach Rockys Vorbild. „Ich habe mich dann sofort stärker gefühlt.“ Im Alter von 17 war Keta „eine Maschine“, wie er selber sagt, er ähnelte der Figur des Rocky tatsächlich. Auf der Straße machte er sich schnell einen Namen. „Ich habe niemals jemanden provoziert“, versichert Keta heute, aber er habe sich eben auch von niemandem etwas gefallen lassen wollen. Die Politik wurde aufmerksam, Keta wurde Leibwächter des Militärministers. „Ich hatte wichtige Menschen um mich rum, habe tolle Autos gefahren, aber ich war total unreif“, erinnert sich der Profisportler. Als der Minister seinen Posten verlor, ermöglichte er seinem Bodyguard den Weg nach Deutschland, das Land, über das Keta von seinem Großvater nur Positives gehört hatte. „Man muss im Leben immer fleißig sein und darf nicht lügen. Mit Arbeit und Disziplin gehst du immer deinen Weg. Und das können nur die Deutschen“, meint Keta.

In Köln begann der Weg des Kickboxers – sein erster Job in der neuen Heimat: Tellerwäscher. Drei Jahre später, im Alter von 22 Jahren, wurde Keta Vizeweltmeister im Super-Schwergewicht, doch mit 27 schien die Karriere beendet. Kreuzbandrisse in beiden Knien stoppten den heutigen Münchner. 2011 gelang dann mit 34 das Traum-Comeback mit dem ersten Weltmeistertitel. Doch nicht diese Auszeichnung ist es, die Keta wichtig ist: „Der Titel ist schön, aber er ist nur Teil des Sports. Viel stolzer macht mich, dass ich es durch harte Arbeit wieder nach oben geschafft habe.“. Den Titel will Keta in Zukunft dennoch noch das ein oder andere Mal verteidigen. Denn er sagt: „Ich fühle mich stärker als mit 18. Ich bin jetzt viel reifer im Kopf.“

Von Jan Lüdeke

Artikel vom 05.01.2012
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