Aus der Reihe „Denkmalgeschützte Objekte in Unterhaching“ vom Heimatpfleger Staudter

Unterhaching · Jugendstilvilla – Biberger Straße 3

„Vor der derzeitigen umfangreichen Restaurierung“ – die  denkmalgeschützte Villa im Jahr 2010

„Vor der derzeitigen umfangreichen Restaurierung“ – die denkmalgeschützte Villa im Jahr 2010

Unterhaching · Mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie München-Ost nach Deisenhofen 1898 wurde Unterhaching ein kaum beachteter Haltepunkt im stetig wachsenden europäischen Eisenbahnnetz. Doch läutete der Eisenbahnbau die zweite Phase der Ortsentwicklung ein.

Das behäbige Bauerndorf rückte zunehmend ins Interesse der nahen Großstadt. Meist begüterte Münchner wählten hier ihren Wohnsitz. Weil zu dieser Zeit gerade eine Stilrichtung die westliche Welt beeinflusste, entstanden auch in Unterhaching etliche Villen und Häuser in dieser Bau- und Dekorationsweise.

Der Jugendstil leitet seinen Namen von der in München verlegten Zeitschrift „Die Jugend“ ab. Einige dieser dekorativen Bauten wurden seit den Sechziger Jahren abgerissen. Darum ist es um so erfreulicher, dass Unterhaching gerade noch mit drei Gebäuden im Jugendstil aufwarten kann.

Doch zuerst wird man enttäuscht, wenn man sich der Villa an der Biberger Straße 3 vom Norden her nähert. Ein nüchterner Zweckbau (Gerüchten nach ein später sanktionierter Schwarzbau) zerstört das einst bedeutendste Kunstwerk des Jugendstils unserer Gemeinde: Das ursprünglich 7 Meter breite und 2 Meter hohe Relief Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies, nachempfunden dem Gemälde Michelangelos in der Sixtinischen Kapelle zu Rom. Ein Omen?

Doch ein Rundgang um die Villa entschädigt dafür. Viele Elemente des Jugendstils sind hier vertreten, wie die bogenförmigen Fenster, umrahmt mit floralen Ornamenten, im Rauhputz integrierte Tiere wie Pfaue und Löwen. Ein Glanzstück ist das Halbrelief von Gottvater mit Krone, Zepter (ursprünglich ein Bischofsstab) und Reichsapfel. Die Krone nützte leider ein Specht vom nahen Marxhof als Sitzplatz, um ein Handteller großes Stück aus dem Verputz zu hämmern. Die gesamte Ornamentik litt jedoch auch unter den Witterungseinflüssen und bröckelte teilweise ab.

Derzeit ist deshalb die Villa eingerüstet und wird fachmännisch restauriert. Von den veranschlagten Kosten übernimmt das Landesamt für Denkmalpflege dankenswerterweise 10.000 Euro. Der Rest geht zu Lasten der Eigentümer, die schon beim Kauf der herunter­gekommenen Villa ab 1963 umfangreiche Reparaturen vornehmen und 1978 die gesamte Außenfassade stilgerecht renovieren ließ. Ein Jahr später wurde die Villa unter Denkmalschutz gestellt.

Der Baumeister, Bildhauer und Stuckateur Georg Kraus verewigte sich mit seinen Initialen und dem Baudatum 1903 auf einem Schild neben dem Eingang. Erstbezieher war der Restaurator und Kunstmaler Baron Freiherr von Schlechtendal, der womöglich nach seinen Wünschen auch das Innere im Jugendstil gestalten ließ.

Familie Kassel, die jetzigen Eigentümer, legt großen Wert auf einen möglichst originalgetreuen Zustand ihres Wohnhauses. Familienoberhaupt Hans Kassel ist aber auch in anderer Hinsicht ein kunstsinniger Zeitgenosse, das beweisen seine rund 30 Bücher und Gedichtbändchen, die er geschrieben hat.

Artikel vom 21.12.2011
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