TSV 1860 will Neonazis vertreiben – Ein Kommentar von Alfons Seeler

Besser spät als nie

Löwenfans positionieren sich seit Jahren – die Kluboberen wollen nun folgen. Foto: A. Wild

Löwenfans positionieren sich seit Jahren – die Kluboberen wollen nun folgen. Foto: A. Wild

Der TSV 1860 hat eine Presseerklärung herausgegeben, in der er sich dagegen verwahrt, in verschiedenen Medien – darunter Spiegel-Online – als untätig gegenüber neofaschistischen Umtrieben in der Fankurve dargestellt zu werden.

„Der TSV 1860 ist viel weiter, als in dem Spiegel-Online-Artikel dargestellt. Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir kontinuierlich und alle gemeinsam dieses Gedankengut aus der Kurve verbannen“, zitiert die Meldung des TSV 1860 München eine engagierte Fanaktivistin gegen Rechts. Nun kann man Gedanken – so bescheuert sie auch im Einzelfall sein mögen – schlecht aus einer Kurve verbannen. Durchaus notwendig kann es aber sein, stadtbekannte Neofaschisten von einem Stadionbesuch abzuhalten, wenn diese eine wachsende Sympathisantengruppe um sich scharen und am Rande eines Spiels jüngere Fußballfans für sich zu gewinnen suchen. Geschäftsführung, Präsidium und Aufsichtsrat des TSV 1860 wollen sich des Problems annehmen und laut Pressemeldung zusammen mit Fanvertretern „geeignete und effektive Maßnahmen“ treffen. Gut so. Das mag für viele Beobachter reichlich lange gedauert haben, doch ist der Klub damit einen Schritt weiter, als manch anderer Verein in Deutschland.

Die aktuelle Berichterstattung darf über eines nicht hinwegtäuschen: Der TSV 1860 München ist weit davon entfernt, eine Heimat für Neofaschisten aus Bayern zu bieten. Wer dem Verein und seinen Mitgliedern und Fans dieses Etikett anheften möchte, handelt unredlich und kennt sich mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht aus. Die aktive Fanszene der Giesinger zeigte sich in der jüngeren Vergangenheit stets wehrhaft gegenüber rechten Umtrieben. Das betrifft nicht nur die „Löwenfans gegen Rechts“ sondern ebenso die Ultras des TSV wie auch „PRO1860“, die „Freunde des Sechzger-Stadions“ und andere Gruppierungen mehr. Auch dem konservativen Fanklubverband „ARGE“, der sich zu dem Thema gerne bedeckt hielt, können keine faschistischen Tendenzen unterstellt werden. Sie alle sind kennzeichnend für die Fankultur beim TSV 1860 und nicht einige rechtsgestrickte Wirrköpfe, die beim Fußball ihre Bühne suchen. Dass nun auch Funktionäre und Gremien des Klubs dem jahrelangen Engagement ihrer aktiven Fans folgen, mag ein Stück weit dem Aufsehen um die jüngst publik gewordenen neonazistischen Terrorakte in Deutschland geschuldet sein, ist deshalb aber nicht weniger begrüßenswert.

Der Verein sei sich nicht nur seiner aktuellen Verantwortung bewusst, sondern sieht es „vor dem Hintergrund der eigenen Geschichte als Verpflichtung, sich klar gegen Rechtsradikalismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz zu positionieren“, tut Vizepräsident Wolfgang Hauner in der gleichen Presseerklärung kund. Vermutlich hat der Vizepräsident übersehen, dass der Klub im Internet einen historischen Abriss seiner Geschichte präsentiert, in dem die Zeit zwischen 1933 und 1945 sorgfältig ausgeklammert bleibt. So etwas ist peinlich. Aber auch dieses Problem kann behoben werden. Besser spät als nie.

Alfons Seeler

Artikel vom 21.12.2011
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...