Einheitliche Kleidung in der Realschule Poing ist ein Erfolg

Poing · Gar nicht uniform

Auch Laura, Dominik, Sara, Vanessa und Stefanie (von links) tragen die lässige Schulkleidung gerne, genauso wie Lehrerin Brigitte Lüken (2. von rechts), die die »Boutique« der Schule führt.	Foto: cs

Auch Laura, Dominik, Sara, Vanessa und Stefanie (von links) tragen die lässige Schulkleidung gerne, genauso wie Lehrerin Brigitte Lüken (2. von rechts), die die »Boutique« der Schule führt. Foto: cs

Poing · Seit drei Monaten sind die Pullis und Jacken, die von Lehrern und Schülern der Realschule Poing im Klassenzimmer und auf dem Pausenhof getragen werden, keine reine Privatsache.

Mit Schuljahresbeginn wurde in der Schule an der Seerosenstraße als erste im Landkreis einheitliche Schulkleidung eingeführt – heute will man die praktischen Teile dort gar nicht mehr missen. Von einer »Uniform«, wie von manchen Skeptikern anfangs befürchtet, kann dabei allerdings ganz und gar nicht die Rede sein. Wäre da nicht das Schul-Logo mit der ausgestreckten Hand rechts auf der Brust eingestickt, der Besucher könnte die Pullover, Hoodies, Sweat- und T-Shirts kaum von dem unterscheiden, womit Teenager auf anderen Schulhöfen herumlaufen. Es fällt höchstens auf, dass schrille Designer-Schriftzüge fehlen. Und genau das ist die Absicht. »Wir wollten auch den Markendruck von den Schülern nehmen. Keiner sollte wegen seiner Aufmachung ausgegrenzt werden«, hatte Schulleiter Matthias Wabner zum Schuljahresbeginn seine ungewöhnliche Aktion begründet. Das war natürlich nicht sein einziges Argument. In dem einstimmigen Beschluss des Schulforums, das sich aus Vertretern von Lehrern, Schülern und Eltern zusammensetzt, heißt es: »Wir möchten durch die Einführung und das Tragen von Schulkleidung dazu beitragen, dass sich unsere Schülerinnen und Schüler mit der Realschule Poing identifizieren und eine noch stärkere Zugehörigkeit zu ihrer Klasse und zur gesamten Schulgemeinschaft verspüren.«

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Ein halbes Jahr nach dieser Abstimmung will sich niemand von dieser Gemeinschaft ausschließen – auch nicht die 21 Pädagogen und die Mitarbeiterin im Sekretariat. Lehrerin Brigitte Lüken, die den Schul-Shop betreut, trägt zum schwarzen Pulli mit V-Ausschnitt einen roten Schal und gleichfarbige Ohrringe. »Jetzt muss ich morgens nicht mehr lange überlegen, was ich anziehe«, hat sie ganz praktisch festgestellt. »Man achtet hier schon darauf, dass jeder diese Kleidung trägt«, sagt sie. Modische Ergänzungen sind natürlich erlaubt. Und kombinieren kann man die Teile ohnehin nach Belieben: mit Jeans, Hose oder Rock. Bei Neuanmeldungen für die noch junge Realschule, die seit zwei Jahren aufgebaut wird und zur Zeit drei Jahrgangsstufen umfasst, achtet Rektor Wabner darauf, dass die Eltern mit der neuen Regelung einverstanden sind. Und falls nicht? »Dann werden sie von unserem Schulleiter überzeugt«, sagt Brigitte Lüken schmunzelnd. Notfalls müssten sie sich eine andere Lehranstalt für ihren Nachwuchs suchen. Dieser Fall sei jedoch noch nicht eingetreten.

Warum auch? Schließlich sehen wohl die meisten Erziehungsberechtigten der zur Zeit 212 Schüler nur Vorteile in dem einheitlichen Dress-Code. Simone Huber, Mutter der zwölfjährigen Laura aus der sechsten Klasse und Mitglied im Modeausschuss: »Ich war am Anfang sehr skeptisch, ganz im Gegensatz zu meiner Tochter. Ich hatte die Uniformen vor Augen, wie man sie aus Amerika oder England kennt, nicht so lockere und legere Sachen.« Trotz der Anschaffungskosten von rund 100 Euro für die Grundausstattung sparen die Familien Geld. Huber: »Laura braucht viel weniger Freizeitklamotten, weil sie die Schulkleidung auch am Nachmittag trägt. Mit zwei Jacken und sieben Oberteilen kommt sie eine Woche lang durch.«

Obwohl Laura und ihre Mitschüler Sara, Dominik, Vanessa und Stefanie die weißen, hell- und dunkelblauen Baumwoll-Sachen gerne anziehen, gibt es Verbesserungsvorschläge. »Es sollte noch mehr Farben geben«, sagt Dominik, der damit sicher vor allem seinen Mitschülerinnen aus dem Herzen spricht. Lila steht dabei ganz oben auf der Wunschliste. Schwarz und grau ist allein den Erwachsenen vorbehalten. Außerdem sollten Hemden beziehungsweise Blusen, wie sie die Lehrer bereits besitzen, bald auch für die Jugendlichen zur Verfügung stehen, fordern die Zwölf- und 13-Jährigen. Der Wunschzettel geht an die Firma Wiehler in Mecklenburg-Vorpommern, die die Textilien vertreibt. Bestellt wird über das Internet. Wer keinen Zugang hat, erhält im Schul-Shop Unterstützung. Dort gibt es auch Muster, die man anprobieren kann, ob das gewünschte Teil passt und steht. Die richtige Größe findet man auch mit Hilfe einer detaillierten Maßtabelle heraus. Denn wenn Pulli oder T-Shirt erst einmal geliefert sind, dann ist ein Umtausch nicht mehr möglich. Für zu klein gewordene Teile gibt es mittlerweile einen Second-Hand-Verkauf, der nach und nach aufgebaut wird.

Schulen aus ganz Bayern fragen in Poing nach

Das mutige Poinger Projekt hat sich in Kollegenkreisen natürlich längst herumgesprochen. Schulen aus ganz Bayern würden bei Rektor Wabner anrufen, weiß Brigitte Lüken zu berichten. Dieser hatte die Idee von seiner früheren Wirkungsstätte in Haag mitgebracht, wo man dem Vorhaben im übrigen anfangs mit sehr viel mehr Vorbehalten begegnet sei als in Poing. Mit Skepsis betrachtet auch Anja Ruhmann, Leiterin der Lena-Christ-Realschule in Markt Schwaben, die Schulkleidung an der Poinger Realschule. Als Geschichtslehrerin warne sie – als Lehre aus der Vergangenheit – davor, aus Kindern und Jugendlichen gleichgeschaltete Persönlichkeiten zu machen. Sollte der Wunsch allerdings aus ihrer Schulfamilie an sie herangetragen werden, müsse man »grundsätzliche Überlegungen« dazu anstellen.

Lockerer sieht das ihr Kollege von der St.-Emmeram-Realschule in Aschheim, Bernhard Vidoni. Er habe eine Zeitlang in England unterrichtet und finde die Idee einheitlicher Kleidung »bestechend«. Vidoni nannte es eine Art »Corporate Identity« für die Schule. Er verfolge die Vorgänge in Poing mit großem Interesse. Der dortige Kollege habe allerdings mit seinen jüngeren Schülern eher ein leichtes Spiel als mit Neunt- oder Zehnklässlern, gab er zu bedenken. Aber man könne immer noch was lernen. Lehrerin Lüken freut sich mittlerweile auf die Fertigstellung des Neubaus, der gerade neben den provisorischen Klassenräumen in die Höhe wächst. Denn dann bekomme sie ab Herbst 2012 für ihren Schul-Shop ein eigenes Zimmer. »Da können wir dann einen richtigen kleinen Kleiderladen aufziehen.« Claudia Schmohl

Artikel vom 06.12.2011
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