„Da schau her“ im Münchner SamstagsBlatt

München/Au · Albrecht Ackerland über den Herzschlag unserer Stadt

München/Au · Als die Nachricht kam, bin ich extra hin. Nah am Ostfriedhof gibt es eine alte, längst legendäre Boazn, in der sehr gerne der eine oder andere Mitarbeiter der Brauerei verkehrt. Die Brauerei, das ist in meinem Fall der Paulaner Bräu. Und unten am Berg noch der Hacker. Aber die beiden sind ja in Wahrheit eins.

Am Nockherberg geht die Jahrhunderte alte Geschichte der Bierbraukunst zu Ende. In der nun zu Ende gehenden Woche gab Paulaner bekannt, dass das Unternehmen nun tatsächlich mit all seinen Anlagen, seiner Logistik, seinem Bier in die westliche Prärie nach Langwied übersiedelt. Mehr Platz für Produktion, Vertrieb und Abwicklung. Die Brauerei will wachsen – und stößt an den Traumlagen oben wie unten am Berg an ihre Grenzen. Auf der grünen Wiese dagegen kann der Pauli wachsen, bis ihm schlecht wird.

Ackerland & Nockherberg

Damit wird eines der letzten Tortenstücke des Münchner Baulands frei. Wo gibt es das noch? Atemberaubender Blick über die Stadt und bei entsprechender Gebäudehöhe grüßen zu jedem Föhn die Alpen tiefenscharf. Die Isar ist nah. Das Viertel ist Trend, und es sieht auch nicht danach aus, dass sich das noch einmal ändern könnte. Zum Marienplatz braucht das Taxi keine zehn Minuten. Genau da hakt's. Was für ein Auer oder Giesinger ist in seinem Leben je mit dem Taxi ins Herz der Stadt gefahren. Das brauchte er nicht, für ihn schlägt das Herz unserer Stadt in anderen Gegenden. In der Au zum Beispiel oder in Giesing.

Viertel verändern sich, das ist schön, und ich wollte hören, was der Paulanerarbeiter meint, wenn er sich am Abend nach der Entscheidung in der Boazn dem Genuss im Leben zuwendet. Doch er meinte gar nix, weil er war gar nicht da. Vielleicht vorgezogene Weihnachtsfeier, wer weiß. Dafür wurde geschimpft und gehetzt und gezetert über das Neue, das alles vernichtet, was hier sonst so war. Da hatten die ewigen Grantler freilich recht. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass irgendwann irgendwo ein fantastisches Viertel entsteht. Neu. Aus dem Boden gestampft. Und trotzdem quirlt das Leben. Der Nachmittagsspieler trifft den Überstundler, und alle sind glücklich.

Am neuen Nockherberg kann so viel falsch gemacht werden. Aber auch alles richtig! Es ist einer der seltenen Fälle, bei dem ich auf die Politik hoffe. Misch dich ein, da gehören auch Sozialwohnungen hin und Läden, die überleben. Wir haben die Chance auf ein neues Viertel. Machen wir's nicht kaputt mit der einfachen Lösung.

Artikel vom 01.12.2011
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