München boomt, doch die Flächen werden bald knapp

München · „Wachstum ja, aber moderat“

Damit etwa Feldkirchen „lebens- und liebenswert bleibt“ setzt Bürgermeister Werner van der Weck auf moderates Wachstum. Foto: Archiv

Damit etwa Feldkirchen „lebens- und liebenswert bleibt“ setzt Bürgermeister Werner van der Weck auf moderates Wachstum. Foto: Archiv

München · Einen „Engpass bei den Siedlungsflächen“ ab 2015 sagt das Münchner Planungsreferat voraus, „der insbesondere den geförderten Wohnungsbau auf lange Sicht empfindlich begrenzen könnte“, wie es auf der Internetseite des Referats im schönsten Amtsdeutsch heißt.

Höchste Zeit zu reagieren auf die nicht nachlassende Nachfrage, in München leben und arbeiten zu wollen. Aber wie? „Wachstumspotenziale nach innen nutzen“ wie Wiedernutzung, etwa die Neubebauung am Vogelweideplatz, heißt es in der vom Stadtrat beschlossenen „Langfristigen Siedlungsentwicklung“ mit „Strategien ab 2015“; „Reduzierung des Flächenverbrauchs bei Neuplanungen“ oder auch eine „verstärkte Kooperation mit dem Umland“.

Doch die Gemeinden vor den Toren Münchens haben mit ihrer eigenen Entwicklung genug zu tun. „Wir wollen moderates Wachstum zulassen, aber es selbst steuern“, erklärt Werner van der Weck (SPD), Bürgermeister von Feldkirchen. „Grünflächen sind wichtig. Wir können nicht endlos wachsen, die Fläche ist nicht beliebig vermehrbar. Feldkirchen soll so lebens- und liebenswert bleiben, und nicht alles zugeballert werden.“ Die Gemeinde hat dabei den Zuzug neuer Bewohner im Blick, Platz für Neuansiedlungen böten die vier Gewerbegebiete noch genug. Denn eine zu dichte Bebauung bedeute für die Gemeinde mehr Menschen, mehr Verkehr und „Nachfolgelasten“ wie die Finanzierung von Parkplätzen oder Kindergärten. Diesen Donnerstag, 17. November, hat der Feldkirchner Gemeinderat nun die Entwicklung eines Nachverdichtungskonzept beschlossen. „Wo heute auf 800 bis 1.000 Quadratmetern ein Haus steht, könnten es dann in Zukunft drei sein“, sagt van der Weck. „Wir entscheiden das in Zusammenarbeit mit dem Planungsverband Schritt für Schritt, das ist ein Prozess über die nächsten Jahre, der die nächsten 20, 30 Jahre miteinbezieht. Auch die Bürger werden eng mit eingebunden, im Zuge des Verfahrens können sie ihre Stellungnahmen abgeben.“ Die Gemeinde ist in Bebauungspläne eingeteilt, und diese verschiedenen Quartiere werden untersucht, wo was möglich ist. „Dabei versuchen wir den Spagat zwischen dem verständlichen Bedürfnis der Grundstückseigentümer nach optimaler Vermarktung, also dichter Bebauung, und was für die Gemeinde verträglich ist. Und das bedeutet: „Bei 10.000 Einwohnern einen Schlusspunkt setzen.“ Derzeit hat die Gemeinde 6.746 Einwohner.

Für Grünflächen und gegen eine immer stärkere Verdichtung des Siedlungsraumes in und um München setzt sich auch eine neue Bürgerinitiative ein. „Die Lebensqualität, die wir hier doch alle so schätzen, steht auf dem Spiel, wenn die Siedlungsverdichtung so ungebremst weitergeht“, erklärt Dr. Hans-Joachim Schemel, selbst beruflich Stadtplaner und Sprecher des Bündnisses aus unter anderem Gregor Louisoder Umweltstiftung, Green City und Bund Naturschutz München. In einem halben Jahr will die „Aktion Grünflächenaufruf München“ 100.000 Unterschriften sammeln und sie Oberbürgermeister Christian Ude übergeben, „um ein Signal zu setzen, dass die Bürger anders denken als die Stadtpolitiker.“ Die hätten sich alle einem vermeintlichen Wachstumsdruck unterworfen. Die Nachfrage als begehrter Wohn-, Arbeits- und Unternehmensstandort sei seit Jahren ungebrochen, „aber man kann das nicht zusätzlich anheizen, obwohl man weiß, uns gehen die Flächen aus.“ Die Initiative habe nichts gegen Gewerbe, „aber in der Ausweisung von weiteren Gewerbeflächen sehen wir einen ,Motor‘, der die zusätzliche Nachfrage nach Bebauung verstärkt“, sagt Schemel. Und das sei auch der Grund gewesen, dass das Bündnis bislang kaum Unterstützer aus der Politik habe: „Ich habe im Vorfeld alle Parteien kontaktiert und Debatten geführt, von CSU über Linke bis ÖDP. Doch alle haben genau bei dieser Forderung abgewinkt. München sei schon immer beliebt gewesen, „doch damals gab es noch genug Reserven, jetzt sind die Grenzen bald erreicht.“

„München ist eine der am dichtesten bebauten Großstädte Deutschlands“, gibt Katja Strohhäker, Sprecherin des Planungsreferats, zu. „Sie besitzt aber im Vergleich zu anderen Städten dieser Größenordnung eine sehr gute Versorgung mit öffentlich nutzbaren Grün- und Freiflächen“ – ein wesentliches Ziel der Stadt, das auch in Zukunft gelten soll. Auch wenn bis zum Jahr 2030 ein Bevölkerungswachstum von 150.000 Menschen allein für das Stadtgebiet München vorausgesagt wird“, stützt sich Schemel auf Zahlen des Statistischen Landesamtes. Den Bedarf dafür schätzt die Stadt „auf jährlich 7.000 Wohnungen“, sagt Strohhäker. Geplant sei, jährlich Baurecht für 3.500 Wohnungen zu schaffen, weiterer Wohnraum entstehe auf Flächen mit vorhandenem Baurecht. Wie etwa am Hüllgraben in Daglfing. „Auf den ehemaligen Bahnflächen entstehen umfangreiche neue Wohngebiete, wofür zahlreiche Betriebe weichen müssen“, erklärt Strohhäker. „Die geplanten Bauflächen beanspruchen weniger als die Hälfte des Gebiets und sind so angeordnet, dass die wertvollsten landschaftlichen Elemente, vor allem der Bachlauf des Hüllgrabens, erhalten bleiben können. Auch Standorte seltener Tierarten wie der Zauneidechse werden nicht tangiert.“

Michaela Schmid

Artikel vom 18.11.2011
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