Besondere Kirche stemmt sich gegen den Austritts-Trend

Haidhausen · Junge Querdenker

Der »JuKi-Sommernachtstraum« im Juli. Die Jugendlichen feierten eine ganze Nacht lang in ihrer Kirche. Sie schliefen sogar dort.	Foto: BDKJ

Der »JuKi-Sommernachtstraum« im Juli. Die Jugendlichen feierten eine ganze Nacht lang in ihrer Kirche. Sie schliefen sogar dort. Foto: BDKJ

Haidhausen · Haidhausen kann mit einer für München einzigartigen Kirche aufwarten: Sie ist nur für Jugendliche gedacht. Das Ziel: Die jungen Leute in ihrem Glauben zu stärken und an die Kirche zu binden.

Die Jugendkirche bei der katholischen Stiftungsfachhochschule in der Preysingstraße wirbt mit modernen Medien und offenen Diskussionen bei den Jugendlichen für den christlichen Glauben. Seit das Haus im Sommer 2010 nach dem Umbau wieder eröffnet wurde, nutzen katholische Jugendgruppen wie die »Querdenker« die neuen Möglichkeiten, um Gottesdienste kreativ zu gestalten, nach dem Motto: von Jugendlichen für Jugendliche. Im Dekanat Giesing, zu dem auch Haidhausen und die Au zählen, gab es im vergangenen Jahr indes knapp 1.000 Kirchenaustritte.

Die Erzdiözese München und Freising habe »viel Geld in die Hand genommen, um es in die Jugend zu investieren«, lobt Ruth Huber, geistliche Leiterin des Bundes der deutschen katholischen Jugend (BDKJ) mit Sitz in der Preysingstraße. Zuvor sei es in dem Gotteshaus, das als einzige Kirche in ganz München ausschließlich für Jugendliche gedacht sei, »dunkel und düster« gewesen. Nun seien für rund zwei Millionen Euro die Akustik verbessert sowie eine Lichtanlage und Beamer installiert worden. Die hölzernen Bänke wurden durch flexible Stühle ersetzt, statt eines schweren Steinaltars gibt es eine luftige, transportierbare Alternative aus Draht.

»Jugendliche sind es gewöhnt, mit dem Computer und mit Bildern zu arbeiten«, erklärt Huber. Diesen Vorlieben müsse sich die Kirche anpassen. Auch die Gestaltung der Gottesdienste obliegt den jungen Menschen selbst. Die »Querdenker« etwa, die ihren Treffpunkt im Korbinianshaus neben der Kirche haben, veranstalten statt einer klassischen Predigt auch immer wieder Diskussionen, etwa zum Thema Mobbing in der Schule oder am Arbeitsplatz.

Erst Gottesdienst dann Übernachtung vor dem Altar

»Uns beschäftigt, welche Bedeutung die Bibel heute noch im Alltag junger Menschen haben kann«, sagt ­Natalie Hauenstein, die ehrenamtliche Sprecherin der »Querdenker«. Einiges müsse aber auch kritisch hinterfragt werden. Manche Texte seien »einfach veraltet« oder müssten neu interpretiert werden. Um die Kirche für Jugendliche wieder attraktiver zu machen, sei vor allem auch ein offenerer Umgang mit dem Thema Sexualität nötig: »Das gehört einfach zur Lebenswelt der Menschen.« Gläubige Jugendliche gehen anders mit Kirche um, ­unverkrampfter, weniger ernst als Erwachsene. Das äußert sich etwa in Aktionen wie dem »JuKi-Sommernachtstraum«. Eine ganze Kirchennacht lang vom Abend bis in den frühen Morgen feierten die Jugendlichen. Natürlich fingen sie mit einem Gottesdienst an.

999 Menschen aus dem Dekanat Giesing traten 2010 aus

Später wurde draußen auf dem Vorplatz der Jugendkirche gegrillt, es gab ein Live-Konzert in der Kirche, verschiedene Filmvorführungen und einen sogenannten Mitternachtsimpuls, bei dem sich die Jugendlichen auf Isomatten vor dem Altar einfanden. Und es wurde sogar in der Kirche übernachtet. Die Sommernacht endete für die jungen Leute mit einem gemeinsamen Frühstück und einem Morgenlob bei Sonnenaufgang. Angenommen wird das Angebot der Jugendkirche jedoch in unterschiedlichem Ausmaß. Gottesdienste finden dort jeden Sonntag um 19 Uhr statt. Manchmal kämen mehr als 100 Besucher, an anderen Tagen dagegen nur zehn, berichtet Ruth Huber vom BDKJ: »Woran das liegt, wissen wir nicht.« Das Altersspektrum liege zwischen zwölf und 30 Jahren, die meisten von ihnen seien aus den südöstlichen Stadtteilen Münchens.

Ob Projekte wie die Jugendkirche den Anteil junger Mitglieder in der katholischen Kirche steigern können, ist indes fraglich. Allein im Dekanat Giesing sind im vergangenen Jahr 999 Menschen ausgetreten. In ganz München wurden 2010 rund 8.650 Austritte erfasst. Julia Stark

Artikel vom 08.11.2011
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