Sozialbürgerhaus hilft Senioren, selbstständig zu bleiben

Zentrum · Am Leben teilhaben

Oft reicht schon ein einziger Anruf bei Margareta Schneider, um ein scheinbar unlösbares Problem zu beseitigen.	Foto: Sylvie-Sophie Schindler

Oft reicht schon ein einziger Anruf bei Margareta Schneider, um ein scheinbar unlösbares Problem zu beseitigen. Foto: Sylvie-Sophie Schindler

Zentrum · Rudolf ist ein leidenschaftlicher Schachspieler. Doch der 83-Jährige hat kaum mehr Freunde, viele sind verstorben. Der Lauf der Dinge: Je älter er wurde, desto einsamer war es um ihn geworden. Und keiner da, der mit ihm eine Partie Schach spielen könnte.

Deshalb hat Rudolf eines seiner liebsten Hobbys auf Eis gelegt. Doch seine Tochter spürte, wie traurig er darüber war. Deshalb suchte sie nach einer Lösung – und fand Hilfe im Sozialbürgerhaus Mitte. Dort läuft seit einem Jahr das Modellprojekt »Präventive Hausbesuche«. Ältere Menschen finden hier ein offenes Ohr für ihre kleinen und großen Probleme und erhalten Tipps und Adressen, die ihnen weiterhelfen. »Wir finden gemeinsam heraus, was zu tun ist und stellen die notwendigen Kontakte her«, berichtet Margareta Schneider, Ansprechpartnerin für die Modellregion Maxvorstadt. Um für Rudolf einen Schachpartner zu finden, genügte ein Anruf im Alten- und Servicezentrum (ASZ) Altstadt. Bald nun kann der Rentner sein Schachbrett wieder aus dem Schrank holen.

»Oft ist die Lösung viel einfacher als gedacht. Man muss sich nur trauen, Hilfe zu holen«, sagt Schneider. Doch gerade ältere Menschen würden oft glauben, dass sie es alleine schaffen müssen. »Sie wollen keinem zur Last fallen«, erzählt die Sozialpädagogin. Dabei gibt es inzwischen in München ein weit verzweigtes Netz von Unterstützungsangeboten für Senioren. Und es wird ständig erweitert, wie nun auch das Modellprojekt »Präventive Hausbesuche« zeigt. Es soll insgesamt vier Jahre laufen und wird außerdem noch in den Regionen Fürstenried/Kreuzhof, Milbertshofen/Am Hart und im Wohngebiet Innsbrucker Ring angeboten. »Die meisten Menschen wünschen sich, im Alter und auch mit gesundheitlichen Einschränkungen so lange wie möglich in ihrer eigenen Wohnung bleiben zu können und dabei gut versorgt zu werden«, so die Münchner Sozialreferentin Brigitte Meier. Deshalb habe der Münchner Stadtrat beschlossen, ein Hausbesuchsangebot für ältere Bürger zu erproben. »Ziel ist es, ein möglichst selbstständiges Leben in gewohnter Umgebung zu erleichtern.«

Fachkräfte der Stadt München und freier Träger besuchen die älteren Menschen auf Wunsch zu Hause. So lernen sie die Situation vor Ort kennen und können, das Einverständnis der Betroffenen vorausgesetzt, geeignete Hilfs- und Unterstützungsangebote vermitteln. Die Hausbesuche sind kostenfrei, die Mitarbeiter unterliegen der Schweigepflicht. »Wichtig ist auch: Es handelt sich um ein freiwilliges Angebot der Stadt München«, sagt Schneider. »Das bedeutet, wer Hilfe sucht, entscheidet selbst, was passiert.« Niemandem werde das Heft einfach so aus der Hand genommen. Niemand müsse sich sorgen, dass die »Frau von der Stadt«, Maßnahmen in die Wege leitet, die der Betroffene gar nicht will. Denn: Veränderungen seien gefürchtet. Stattdessen wolle man alles so bewahren, wie man es kenne, das gebe Sicherheit. »Manchmal haben die Leute Angst, dass sie womöglich in ein Heim gesteckt werden«, erzählt Schneider. »Was genau passiert mit dem, was ich Ihnen erzähle«, sei eine typische Frage. »Doch im Gespräch merken sie dann, dass wir nichts tun, was sie nicht wollen. Im Gegenteil: Sie sagen uns, was ihnen fehlt und wir reagieren darauf und machen unsere Angebote. Und für die kann man annehmen oder eben auch nicht.« Und den Fall, dass einer nicht selbst aktiv werden und sich bei den entsprechenden Stellen melden möchte, gibt es auch die Möglichkeit, dass die Fachkräfte das übernehmen.

Altersarmut, Isolation, Einsamkeit – das sind nur einige Themen, mit denen Margareta Schneider konfrontiert ist. Den meisten geht es wie Rudolf: Der Freundeskreis ist weggestorben, oft auch der Ehepartner. Bei anderen gibt es keinen Kontakt mehr zu den eigenen Kindern. Wieder andere sind sozial gut eingebunden, wollen aber keinen mit ihren Problemen behelligen oder sich so lange es geht, selbst um ihre Angelegenheiten kümmern.

Keine Angst, Hilfe anzunehmen

»Beim ersten Anruf schütten die Leute selten ihr Herz aus. Sie sind eher vorsichtig«, so Schneider. Später, beim Hausbesuch, würden die Anliegen konkreter angesprochen. »Aber auch da gibt es erstmal eine gewisse Zurückhaltung«, weiß die Sozialpädagogin. »Das liegt oft an der Bescheidenheit dieser Generation. Hilfe in Anspruch zu nehmen, das ist für diese Menschen nicht selbstverständlich.« Zudem stehen manchmal auch Vorurteile im Weg. Etwa, wenn die Kontaktaufnahme mit einem ASZ vorgeschlagen wird. »Schnell heißt es: ›Alt bin ich selber. Ich will doch nicht nur mit anderen Alten zusammenhocken und über Krankheiten reden‹«, erzählt Schneider. Dass diese Vorbehalte falsch sind, würden die Betroffenen feststellen, wenn ein erster Schritt gemacht ist. »Dann kann sich etwas entwickeln, dann kommt plötzlich was ins Rollen, Kontakte entstehen, gemeinsame Hobbys werden geteilt, und das tut gut.« Weitere Informationen und Anfragen über das Sozialbürgerhaus Mitte, Schwanthalerstraße 62, unter Tel. 23 34 66 17 oder das Sozialreferat, Tel. 23 34 83 51. Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 31.10.2011
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