Ausgrabung könnte Bau des Einkaufszentrums verzögern

Ebersberg · Bergen vor shoppen

Alexandra Völter von Archbau inspiziert die Mauer der ehemaligen Kloster-Zimmerei. Das letzte Stück einer Grabplatte aus dem 16. Jahrhundert wurde am Samstag geborgen. 	Foto: sf/Archbau Bayern

Alexandra Völter von Archbau inspiziert die Mauer der ehemaligen Kloster-Zimmerei. Das letzte Stück einer Grabplatte aus dem 16. Jahrhundert wurde am Samstag geborgen. Foto: sf/Archbau Bayern

Ebersberg · Dass man beim Bau des neuen Einkaufszentrums in Ebersberg auf Relikte des ehemaligen Klosters stoßen würde, war klar, denn bei dem Gelände zwischen Marienplatz und Bahnhof handelt es sich um den ehemaligen Klostergarten.

Doch seit dem Spatenstich Anfang August hat sich die Baustelle zu einer archäologischen Ausgrabungsstätte von »überregionaler kulturhistorischer Bedeutung« entwickelt, wie Alexandra Völter, stellvertretende Niederlassungsleiterin der Firma Archbau betont. Seit fast acht Wochen birgt sie mit ihrem Team alte Mauerreste, Keramiken und Eisenstücke aus dem späten Mittelalter bis zur frühen Neuzeit, also aus der Zeit zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert. »Es ist ein toller Aufschluss, weil wir hier die kulturhistorische Entwicklung in diesen Jahren verfolgen können.« An manchen Stellen sei deutlich zu sehen, dass zum ersten Mal in Ziegelbauweise gebaut wurde und die Baumeister noch nicht richtig damit umgehen konnten.

Der interessanteste Fund seien jedoch Wasserleitungen aus Holz mit eisernen Schellen, die dort eingebaut waren. »Sie sind im lehmigen Boden gut erhalten geblieben, so dass wir mit Hilfe einer dendrochronologischen Bestimmung das Alter herausfinden können. Das bringt die Forschung ein ganzes Stück weiter«, so Völter. Bei der Dendrochronologie werden die Jahresringe von Bäumen anhand ihrer unterschiedlichen Breite einer bestimmten, bekannten Wachstumszeit zugeordnet. Das Kloster in Ebersberg existierte vermutlich seit dem zehnten Jahrhundert. Immer wieder wurden Neuerungen vorgenommen und die alten Baumaterialien vor allem für den benachbarten Wirtschaftshof wiederverwendet, fanden die Archäologen heraus. »Wir konnten inzwischen den Bereich der alten Schmiede lokalisieren und den Keller, wo die Zimmerei war.«

Die fast vollständig erhaltenen Mauern der Zimmerei wurden am vergangenen Freitag vorsichtig per Schaufelbagger Stück für Stück abgetragen und vom Archbau-Team ebenso vorsichtig per Hand aus der Baggerschaufel gehievt und nebeneinander auf dem Boden eines Transporters abgelegt. »Wenn wir sie stapeln würden gingen sie noch mehr kaputt, als sie ohnehin schon sind«, erklärt Völter. Mehrere Fuhren am Tag bringen die Wissenschaftler ins Labor in Augsburg. Dort werden die Stücke gereinigt, beschriftet, untersucht und wie ein Puzzle zusammen gesetzt. Anschließend werden sie ins Landesamt für Denkmalpflege gebracht. Die Stücke, die am Freitag im Transporter landeten, waren aus schwarzem Marmor und wiesen Mulden auf. Völker vermutet, dass die Funde von einer Altareinfassung oder vom Hintergrund für ein Heiligenbild stammen. »Der schönste Fund, den wir bisher gemacht haben, ist eine Grabplatte aus rotem Porphyr aus dem 16. Jahrhundert. Sie ist mit zwei Mönchen als Darstellung verziert, um die Platte herum ist ein Schriftband aus Frakturschrift. Sie wurde später auch als Baumaterial für den Wirtschaftshof verwendet.« Zwei Drittel des Areals hat die Firma Archbau mittlerweile untersucht, der nördliche Teil fehlt noch. Hier werden Gräber vermutet. »Wenn es sehr viele sind, könnte die Bergung etwas länger dauern und sich der Bau des Einkaufszentrums verzögern. Bisher liegen wir aber noch voll im Zeitplan«, erklärt Völter.

Wir wussten, worauf wir uns einlassen

Die Kosten für die Untersuchungen sowie eine verzögerte Fertigstellung muss der Investor tragen, in diesem Fall das niederländische Unternehmen Ten Brinke. Übersteigen die Kosten jedoch eine zumutbare Grenze gibt der Freistaat Bayern Zuschüsse. Projektleiter Heiko Schröppel von Ten Brinke sieht es gelassen: »Das ist alles gesetzlich geregelt, wir wussten worauf wir uns einlassen.« Der Bauplan musste zwar umgeschrieben werden, trotzdem ist Schröppel zuversichtlich, dass das Einkaufszentrum wie geplant zwischen April und Juni 2013 eröffnet werden kann. Ob dann dort einige der Ausgrabungsstücke zu sehen sein werden, ist noch nicht geklärt. Theoretisch gehören sie Ten Brinke. »Wir sehen erst mal, was noch gefunden wird, dann werden wir zusammen mit dem Bürgermeister überlegen, welche Möglichkeiten es gibt, die Funde der Öffentlichkeit zu präsentieren«, so der Projektleiter.

In das neue Einkaufszentrum in Ebersberg werden auf drei Etagen etwa 15 Einzelhandelsunternehmen einziehen, darunter Lidl, C&A, Rewe, Müller, Deichmann, Fressnapf und der Wohnaccessoire-Anbieter Depot. Außerdem soll es eine Apotheke, einen Friseur und einen Optiker geben. Für die Kunden werden 270 Parkplätze geschaffen. Das Investitionsvolumen beträgt 30 Millionen Euro.

Überregionaler Anziehungspunkt

Mit dem Einkaufszentrum hofft die Kreisstadt einen überregionalen Anziehungspunkt zu schaffen und somit den umliegenden Geschäften in der Innenstadt einen höheren Umsatz bescheren zu können. Bürgermeister Walter Brilmayer bezeichnete das Projekt als »größten kommunalpolitischen Erfolg der letzten Jahrzehnte«. Sybille Föll

Artikel vom 18.10.2011
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