CSU- und BA-1-Mitglied Felicia Englmann über Politik, Kultur(en) und das Reisen

Lehel · Aufwandslose Gemütlichkeit contra Fremdsein

Die Politologin und Journalistin Felicia Englmann spricht im Interview über Politik	, fremde Kulturen und was sie sonst bewegt. 	 Foto: © Armin Brosch

Die Politologin und Journalistin Felicia Englmann spricht im Interview über Politik , fremde Kulturen und was sie sonst bewegt. Foto: © Armin Brosch

Lehel · Felicia Englmann ist promovierte Politologin, stellvertretende Vorsitzende des Bezirksausschusses Altstadt-Lehel (BA 1), stellvertretende Ortsvorsitzende im CSU-Ortsverband Lehel und Mitglied des Kreisvorstandes. Sie arbeitet als Journalistin und als Autorin.

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Im September sind zwei neue Bücher von ihr erschienen: »Sorry, das haben wir nicht« und »Arabersaison: Eine Reise hinter den Schleier der Golfstaaten«. Im »Münchner Zentrum«-Interview spricht sie über Politik, fremde Kulturen und was sie sonst noch bewegt.

Münchner Zentrum: Welche politischen Themen liegen Ihnen im Stadtbezirk 1 am Herzen?

Felicia Englmann: Mir ist am Wichtigsten, dass die Innenstadt bewohnbar bleibt, denn es sind die Bürger, denen die Stadt gehört und die ihr Gesicht prägen. Daher brauchen wir gerade in der Innenstadt Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen, etwa die Grundschule an der Herrnstraße, aber auch bezahlbaren Wohnraum für Singles und junge Paare, Wohnraum für alte Menschen, Angebote für Behinderte. Die City darf keine reine Kommerz- und Partyzone sein, und erst recht kein Freilichtmuseum. Mir ist in diesem Zusammenhang auch wichtig, dass Wohnungslose oder Bürger mit Suchterkrankungen nicht radikal von ihren Lieblingsplätzen im öffentlichen Raum vertrieben werden. Sie gehören genauso zur Stadt wie alle anderen Bürger. Statt Bänke abzubauen, sind wir gefordert, Menschen in Schwierigkeiten Hilfe anzubieten.

Münchner Zentrum: Wo gibt es noch dringenden Handlungsbedarf und was muss als nächstes angepackt werden?

Felicia Englmann: Jetzt, wo der Bau der zweiten Stammstrecke nicht finanzierbar ist, müssen alle Beteiligten überlegen, wie der Marienhof nach dem Ende der archäologischen Grabungen aussehen soll.

Münchner Zentrum: Sie sind seit 2002 Mitglied im Bezirksausschuss. Wie haben Sie sich in der Zeit verändert?

Felicia Englmann: Ich bin einerseits ruhiger und toleranter geworden und habe gelernt, fast alle Meinungen und Interessensbekundungen anzuhören und zuzulassen. Gleichzeitig grenze ich mich deutlicher von Interessen und Ansichten anderer ab und lasse mich nicht vereinnahmen. Meine eigene Meinung sage ich heute zudem noch deutlicher als früher.

Münchner Zentrum: Und wie hat sich die Politik im Stadtteil verändert?

Felicia Englmann: Die Worte »sparen« und »Haushaltskonsolidierung« sind Teil des Tagesgesprächs geworden. Vielleicht gerade deswegen sind die Bürger im Viertel von sich aus aktiver: Elterninitiativen an Schulen und Kindergärten, die Hinterhofflohmärkte, privat organisierte Straßenfeste, all das sind Zeichen einer lebendigen Nachbarschaft, die ihre Lebenswelt gestaltet, statt abzuwarten oder zu lamentieren.

Münchner Zentrum: Sie reisen viel, waren bislang in über 40 Ländern, und sind somit wahrscheinlich mit Leib und Seele Globetrotterin – andererseits sind Sie sehr aktiv in einem vergleichbar kleinen Bereich: im Bezirksausschuss und im CSU-Ortsverband Lehel. Wie lebt es sich in beiden »Welten«?

Felicia Englmann: Reisen zu können und an einem Ort zu Hause zu sein bedingt sich gegenseitig, daher brauche ich beide Welten. Wer nirgendwo hingehört, ist kein Reisender, sondern ein Nomade. Heimat ist immer ein kleiner Ort; es ist der Raum, den wir begreifen und in dem wir uns jeden Tag bewegen. Würde ich meine eigene Heimat nicht wertschätzen, könnte ich auch die Heimat anderer Menschen und deren Werte nicht respektieren, und es fiele mir schwer, über eine oberflächliche Betrachtung hinauszukommen.

Münchner Zentrum: Wie lässt sich beides miteinander vereinbaren? Streiten sich manchmal die Seele der Globetrotterin und die der Stadtteilpolitikerin in Ihrer Brust?

Felicia Englmann: Die beiden ergänzen sich gut und bereichern sich gegenseitig. Im Spiegel des Anderen, des Fremden, erkenne ich mich selbst, kann meine Werte überprüfen und Einstellungen überdenken. Das hilft im Alltag auch bei der Begegnung mit Bürgern, deren Anliegen ich versuche zu verstehen. Die politische Arbeit im Viertel schult zudem das Auge für Details, die mir sonst in anderen Städten nicht auffallen würden. So aber kann ich bewusst wahrnehmen, dass es in Japan keine Radwege gibt und sich Fußgänger und Radfahrer mit gegenseitigem Respekt begegnen – anders als hier, wo jeder erstmal auf sein eigenes Recht als Verkehrsteilnehmer pocht.

Münchner Zentrum: In Ihren Büchern geht es um fremde Kulturen, deren Sitten und Gebräuche. Was fasziniert Sie am allermeisten an fremden Ländern?

Felicia Englmann: Ich liebe die Erkenntnis, dass man alles auch ganz anders machen und bewerten kann, als man es selbst gewohnt ist – aber dass es auf diese andere Art auch funktioniert. In isländischen Schwimmbädern etwa wird man von den Einheimischen angeranzt, wenn man mit Badeanzug duscht. In Dubai lacht einen der Vermieter aus, wenn man versucht, seinen Müll zu trennen. Das Gefühl des Fremdseins ist für mich außerdem eine Bereicherung, da es mich zwingt, mich mit den anderen auseinander zu setzen und mich selbst nicht so wichtig zu nehmen. Das einzige weiße Gesicht in einem iranischen Überlandbus zu sein und nicht zu wissen, wo genau man aussteigen muss, ist so ein Moment.

Münchner Zentrum: Was ist für Sie am schönsten, wenn Sie nach einer langen Reise ins Lehel zurückkehren?

Felicia Englmann: Heimzukommen ist für mich die Rückkehr ins Vertraute. Ich weiß schon, bevor ich aus dem Haus gehe, wo ich mein Vollkornbrot kaufen werde, wer im Laden hinter der Theke steht und wie das Brot abends schmecken wird. Das ist aufwandslose Gemütlichkeit. Am meisten aber freue ich mich, meine Freunde wiederzusehen.

Interview: Kirsten Ossoinig

Artikel vom 10.10.2011
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