Albrecht Ackerland zum Münchner SamstagsBlatt: Nichts im Polizeibericht

München · „Da schau her!“ Kriminelles Erlebnis nach dem Derby

München · Das war wieder ein Remmidemmi am vergangenen Dienstag bei uns in Giesing. Wenn die zweite Mannschaft der Sechzger spielt, dann ist ja sowieso schon immer was los. Die „Kleinen“ spielen da, wo die Löwen hingehören: im Sechzgerstadion.

Und die Gruppe hartgesottener Fans ist gar nicht so klein, die da bei jedem Heimspiel ein Tollhaus herzaubert, zumindest für Regionalligaverhältnisse ist das sensationell. Ganz besonders geht freilich die Post ab, wenn gegen den guten Freund von der Säbener Straße gespielt wird. Dieses Spektakel gab‘s am Dienstag also wieder. Ein Münchner Stadtderby. Mehr als 4.000 Fans waren da. Dazu drei Hundertschaften von der Polizei, weil das Derby als Problemspiel eingestuft wurde. Das nicht ganz ohne Grund, bei der vorangegangenen Begegnung der verfeindeten Fans kam‘s am Wettersteinplatz zu einigem Trubel von denen, die‘s einfach nicht lassen können. Die gibt‘s auf beiden Seiten. Es hat aber vor allem etwas wirklich Schönes, wenn über die Tegernseer Landstraße Massen an Sechzger-Fans pilgern und von mir aus auch ein paar Bayern. Wie in alten Zeiten. Dann wird’s dunkel, das Spiel fängt an, und über dem ganzen Viertel liegt der Schein des Flutlichts. Geht man dann durch Giesing, sind die Stadiongesänge unüberhörbar. Nie bitzelt die Luft mehr in diesem Stadtteil.

Ich also hin, nur viel zu spät, zu sehr habe ich die Atmosphäre genossen. Dann waren die Kassen schon zu. Ich kam nicht mehr rein. Also setzte ich mich an einen Tisch vor einer Boazn fast am Ring. Auf der Straße stockte der Verkehr, das Spiel war mittlerweile vorbei, die Polizei mühte sich, die Fangruppen auseinander und in Schach zu halten. Dann geht alles ganz schnell. Keine zwei Meter von meinem Tisch entfernt springen aus vier Autos acht Menschen, zücken binnen Millisekunden ihre Waffen, reißen die Türen von einem anderen Auto im Stau auf. „Polizei. Nicht bewegen!“ Die Knarren auf die Schläfen der beiden Männer im Auto gesetzt. Sie ziehen sie aus dem Auto auf die Straße. Handschellen. Festnahme. Abfahrt. Die ganze Aktion dauert keine fünf Minuten.

Ich dachte buchstäblich, ich bin im Film. Bis zum Redaktionsschluss konnte ich nichts im Polizeibericht finden. Es muss schon etwas sehr Schlimmes gewesen sein, sonst hätten die Polizisten nicht gar so knallhart reagiert. So viel Restvertrauen in die Gesetzeshüter habe ich dann doch noch. Da wurde mir wieder klar: So eine Stadt hat schon ihre Schattenseiten. Vielleicht braucht‘s die auch, um die Sonne zu schätzen. Grund zum Fürchten gibt‘s schließlich kaum einen.

TSV 1860 München aktuell

Artikel vom 06.10.2011
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