So reagiert München auf den demographischen Wandel

München · Wie man alt wird, zählt

„Wir sind für Sie da!“: Margareta Schneider ist für die Modellregion Maxvorstadt zuständig. Foto: ms

„Wir sind für Sie da!“: Margareta Schneider ist für die Modellregion Maxvorstadt zuständig. Foto: ms

München · Alt werden wollen wir alle, und dem steht rein statistisch auch nichts im Wege, die Lebenserwartung der Deutschen ist im Durchschnitt so hoch wie nie zuvor. Aber alt sein, das will niemand. „Das Wort steht in unserer Gesellschaft für Krankheit, Einsamkeit, Armut und ist negativ besetzt, deshalb benutze ich es ungern“, sagt Klaus Bode, 78 Jahre und Vorsitzender des Seniorenbeirats der Stadt München, der die Interessen der 325.000 Bürger über 60 Jahre vertritt.

Weitere Artikel zum Thema

Die Generation der 46- bis 59-Jährigen stellt mit 17,7 Prozent (245.177) die Mehrheit der rund 1,4 Millionen Münchner (Stand Ende 2010), danach folgt schon die Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen (10,4 Prozent). An dritter Stelle stehen dann die 26- bis 30-Jährigen mit 9,2 Prozent. Die Mehrheit der Münchner steht also im so genannten Herbst des Lebens und damit vor neuen Herausforderungen. „Doch kaum einer kennt den Seniorenbeirat“, weiß Bode. Dabei kämpft der Seniorenbeirat mit seinen Vertretern aus allen 25 Stadtteilen für die besonderen Anliegen der älteren Menschen in der Stadt, ob aktuell für den Erhalt der öffentlichen Toiletten in der Innenstadt oder mehr Sitzplätze in den Museen, und hat sogar Rederecht vor dem Stadtrat. Jede Woche bietet er Sprechstunden in seinem Büro in der Burgstraße 4, darunter Rentenberatung und Anwaltsberatung, alles kostenlos. Trotzdem lag bei der Wahl zum Seniorenbeirat vor zweieinhalb Jahren die Wahlbeteiligung nur bei 26 Prozent, berichtet Bode, obwohl jeder Bewohner über 60 die Briefwahlunterlagen zugeschickt bekommt. Die „Seniorenwoche“, die jetzt erstmals vom 7. bis 14. Oktober stattfindet, soll nun das Gremium und seine Arbeit bekannter machen. Der Seniorenbeirat und viele andere Einrichtungen stellen sich bei der Eröffnung am 7. Oktober, ab 10 Uhr, im Kulturreferat, Burgstraße 4, vor. Die Veranstaltung endet mit einer Podiumsdiskussion im großen Saal des Rathauses, Marienplatz: am 14. Oktober, 14 Uhr, diskutieren unter anderem Altoberbürgermeister Dr. Hans-Jochen Vogel und Ulrike Mascher, Präsidentin des VdK Deutschland, über das Thema „Der alte Mensch im 21. Jahrhundert“.

Auf die zunehmende gesellschaftliche Bedeutung des Alters reagiert auch die Münchner Volkshochschule mit der Programmreihe „Alter ist Zukunft“, die am 5. Oktober von der ehemaligen Bundesfamilienministerin und führenden Altersforscherin Prof. Dr. Ursula Lehr eröffnet wird: um 19 Uhr in der Black Box im Gasteig zum Thema „Leben in einer Gesellschaft des langen Lebens – Herausforderungen und Chancen“. Lehr hält es mit dem Motto: „Es kommt nicht darauf an, wie alt man wird, sondern wie man alt wird.“

Doch was ist, wenn die Kräfte nachlassen, das Bearbeiten von Behördenpost oder das Benutzen des Bankautomaten schwerfällt? Oder das Kochen, Putzen, Einkaufen? Immer mehr ältere Menschen leben in München allein in ihren Wohnungen, ein Drittel der 101.565 Bürger über 75 Jahre, so das Sozialreferat. Sie pflegen nur lose Nachbarschaftskontakte und bekommen oft nur selten Besuch von Angehörigen. Etwa in der Maxvorstadt: „Viele Senioren leben dort seit 30 oder gar 50 Jahren, manche seit ihrer Geburt“, erzählt Margareta Schneider vom Sozialbürgerhaus Mitte, die im Rahmen eines Projekts der Stadt Senioren in diesem Stadtteil zuhause besucht und sie berät. „Kostenlos, auch für Folgebesuche, und es gilt die Schweigepflicht“, wie sie betont, oft reiche auch schon ein Telefongespräch. „Wir drängen den Leuten nichts auf, wir vermitteln ihnen nur das, was sie auch wollen“. Ob Einkaufshilfe, Unterstützung beim Antrag auf Pflegestufe oder ein netter Schachpartner: Das Angebot kommt sehr gut an bei den Senioren. Doch anfangs spürt Schneider oft eine gewisse Skepsis: „Aus Angst, die Eigenverantwortung aus der Hand geben zu müssen, doch das ist völlig unbegründet. Die Leute entscheiden selbst und bleiben stets Herr der Lage.“ Vor einem Jahr startete das Sozialreferat in vier Regionen, darunter Maxvorstadt und Milbertshofen/Am Hart, ein vierjähriges Modellprojekt, in dem ältere Menschen zu Hause besucht werden, um sie rechtzeitig über Haushaltshilfen, Pflege oder finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten zu informieren. Ziel sei, dass die Menschen so lange wie möglich selbstständig in ihrer Wohnung leben können. Schneider, die als Sozialpädagogin seit 15 Jahren im Seniorenbereich arbeitet, hat daraus auch ihre persönlichen Schlüsse gezogen: „Seit ich 40 bin, habe ich eine Vorsorgevollmacht und auch schon eine Bestattungsvorsorge.“ Ihr Tipp: „Die Augen aufhalten, sich die Angebote anschauen, solange man noch fit ist, um später die richtige Wahl zu treffen.“ Und einfach mal Frau Schneider einladen: „Anrufen und fragen können S‘ immer!“

Von Michaela Schmid

Artikel vom 30.09.2011
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...