Einwohnerversammlung: Als junger Mensch mitbestimmen

Zentrum · Von Kindern lernen

Elena (l.) und Luna stimmen bei der Einwohnerversammlung für Kinder und  Jugendliche mit ab.	Foto: Sylvie-Sophie Schindler

Elena (l.) und Luna stimmen bei der Einwohnerversammlung für Kinder und Jugendliche mit ab. Foto: Sylvie-Sophie Schindler

Zentrum · Der Bus der Linie 132 fährt nur alle 20 Minuten. Elena (10) ärgert sich darüber. »Das ist unpraktisch. Das muss sich ändern«, sagt das Mädchen, das mit dem 132er zur Schule fährt, und notiert ihr Anliegen auf einem Formular. Neben ihr sitzt Luna, elf Jahre alt. »Mir ist wichtig, dass der Bolzplatz der Glockenbachwerkstatt nicht abgerissen wird«, sagt sie.

Elena und Luna – zwei Kinder, die mitmischen wollen. Und sie sind nicht die Einzigen. Rund 20 Mädchen und Jungen sind am Weltkindertag, den 20. September, in den Kindertreff KUBU – Kunterbunt gekommen, um an einer Einwohnerversammlung für Kinder und Jugendliche aus der Ludwigs- und Isarvorstadt teilzunehmen. Dazu hatte bereits zum vierten Mal der Bezirksausschuss Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt (BA 2) eingeladen. Auch den Jüngeren soll so laut Beate Bidjanbeg, Kinderbeauftragte des BA 2, »in dieser Gesellschaft ein offizielles Forum« gegeben werden, um Wünsche und Bedürfnisse zu äußern. »So können sie aktiv ihr Viertel mitgestalten.« Potentielle Mitredner gibt es jede Menge: 45.000 Einwohner leben im Stadtviertel, 5.000 sind unter 18 Jahre alt.

Doch auch Mitsprache will gelernt sein. Die Kinder sitzen auf Bierbänken, konzentriert, manche Breze kauend, und halten rote Kärtchen in den Händen. »Wenn ihr einem Antrag zustimmt, dann müsst ihr die Kärtchen in die Höhe halten«, erklärt Bidjanbeg. Die Kinder nicken. Nun werden Ideen gesucht. Zoe meldet sich. »Ich habe da einen Vorschlag«, sagt sie. Bidjanbeg bittet sie nach vorne. »Also, es gibt ein tolles Klettergerüst im Wildpark Poing, aus vielen Holzstämmen gebaut«, berichtet Zoe. »Und es wäre schön, wenn wir das in unserem Viertel haben könnten.« Hände mit roten Kärtchen schnellen begeistert nach oben. Antrag angenommen. Doch ob etwas daraus wird, entscheiden erst die nächsten Schritte. Alle angenommenen Anträge werden vom BA behandelt und sollte auch dort mit Ja gestimmt werden, gehen die Anliegen an die entsprechenden Referate der Stadt. Ein neuer Belag für einen Bolzplatz, ein sicherer Übergang an der Sankt-Pauls-Straße und ein anderer Bus-Takt konnte so in den vergangenen Jahren bereits auf den Weg gebracht werden. Auch der Hof der Schwanthalerschule ist nun nicht mehr so langweilig und grau: Basketballkörbe wurden installiert, Spielflächen auf den Asphalt gemalt, Grünflächen gepflanzt, Spielgeräte gekauft. Laut Bidjanbeg fehlen nun noch ein paar Sitzbänke. »Manches dauert seine Zeit. Die Kinderbeauftragte braucht häufig einen langen Atem. Auch wenn es beispielsweise um eine neue Skaterbahn geht. »Spielmöglichkeiten für größere Kinder fehlen noch an vielen Stellen. Die Skaterbahn ist ein großer Wunsch, da bin ich seit Jahren hinterher«, so Bidjanbeg. Wunschort sei die Theresienwiese. »Es wäre toll, wenn es da eine Fläche für die Kinder gebe.« Doch so einfach sei das nicht: »Gerade in den großen Ferien, wo die Kinder Zeit zum Skaten haben, wird alles für die Wiesn aufgebaut.« Geklappt hat es leider auch noch nicht mit einer so genannten Boulderwand zum Klettern. »Stattdessen wurden mir drei Baumstämme zur Verfügung gestellt«, erzählt Bidjanbeg. Manchmal müsse man sich eben mit Alternativen begnügen.

Mit seiner Einwohnerversammlung für Kinder und Jugendliche, die einmal jährlich stattfindet, zählt der BA 2 zu den Pionieren im Stadtgebiet. Inspiriert wurde Bidjanbeg von Jugendlichen aus dem Stadtviertel, die eine Veranstaltung für Jugendliche zur politischen Beteiligung auf die Beine stellten, darunter Anahita, Bidjanbegs Tochter. Am 20. September 2007 wagte der BA 2 schließlich den ersten Versuch. Beim Fest zum Weltkindertag, das die Fachbasis 2, das sind die sozialen Einrichtungen aus dem Viertel, jedes Jahr ausrichtet. »Diese Veranstaltung ist ideal für uns, deshalb klinken wir uns da gerne mit ein«, so die Kinderbeauftragte. In Zukunft wolle sie das Forum außerdem noch an den Schulen bekannter machen.

Die anwesenden Eltern begrüßen die Mitsprachemöglichkeit für ihre Kinder. Beispielsweise Elly Niedermeier, die Mama von Elena. »Überall in diesem Land greift eine Demokratiemüdigkeit um sich.« So könne es nicht weitergehen. Die jungen Leute müssten das Gefühl bekommen, dass sie tätig werden können. »Nur dann können sie aktive Bürger werden.« Insofern sei diese Einwohnerversammlung eine wichtige Sache. Elly Niedermeier freut sich, dass ihre Tochter mitmacht. »Wenn sie jetzt nicht darauf gestoßen wird, dann interessiert es sie später vielleicht nicht mehr.« Und was sagt Elena selbst dazu? »Ich finde es toll, dass man uns Kinder ernst nimmt«, meint sie. Luna nickt: »Ich finde es super, dass wir mitreden können. Dadurch können wir etwas verändern.« Elena hat da auch schon ein nächstes Anliegen: »An manchen Stellen parken so viele Autos, dass man nicht normal über die Straße gehen kann.«

Wenn Kinder ihre Stimmen erheben, dann wird auch die Stadt hellhörig. »München hat es sich auf die Fahne geschrieben, kinderfreundlich zu sein. Manchmal bringen wir eine Sache schneller durch, wenn wir darauf hinweisen, dass auch die Kinder dahinter stehen«, sagt Bidjanbeg. Zudem würde die Sicht der Kinder die Angelegenheiten noch einmal anders beleuchten. »Da können wir auch von den Kindern lernen.«

Auch in Zukunft soll die Plattform bestehen bleiben. »Die Kraft einer Gesellschaft liegt im Engagement von Einzelnen fürs Gemeinwohl«, so Bidjanbeg. »Es ist wichtig, dass Kinder wissen, dass es einen Ort für sie gibt, wo sie gehört und mit ihren Problemen ernst genommen werden.« So kamen beispielsweise im vergangenen Jahr die Pfadfinder zur Einwohnerversammlung, völlig in Sorge um ihr Heim. Damals hieß es, es solle geschlossen werden. Der BA 2 nahm sich der Sache an. Die erleichternde Nachricht: Das Heim wurde renoviert und blieb deshalb für einige Tage zu. »Falscher Alarm«, so Bidjanbeg. »Doch in ihrer Unsicherheit fühlten sich die Jugendlichen nicht allein gelassen. Denn sie wussten, dann gehen wir eben zur Einwohnerversammlung.« Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 26.09.2011
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