„Da schau her!“ Albrecht Ackerland über den armen Dialekt

München · Zum Thema der Woche: „Im Schatten der Mauer“

München · „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen“ – jetzt wird sie wieder rauf und runter genudelt, die öffentliche Lüge des DDR-Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht.

In schönem Leipziger Sächsisch. Und nachdem ich es zum zehnten Mal in einer der Mauerbausendungen im Fernsehen wieder gehört habe, wurde mir klar: Der Mann ist schuld, dass dieser so schöne Dialekt bei vielen von uns in einer Art Ungnade steht. Mich eingeschlossen.

Ausstellung im Olympia-Einkaufszentrum: »50 Jahre Mauerbau in Berlin«

Ich habe es schon erlebt, dass einer in München in einer Boazn ein Bier bestellt hat und wirklich Glück hatte, überhaupt bedient zu werden. Und wir fanden das auch noch lustig. Dabei sind die Sachsen mit ihrem Zungenschlag wirklich zu loben. Uns Bayern stirbt der Dialekt weg, in München bist du schon fast eine Attraktion für Einheimische als Mundartler. Das ist jammerschade. Ich bin unbedingt für moderne Entwicklungen. Vielem alten Schmarren weine ich keine Träne nach. Aber die Vielfalt der Sprache hat ein ewiges Leben verdient. Das schaffen die Leipziger und Dresdner viel besser als wir.

Als ich vor einiger Zeit in Leipzig in einem jungen frischen Café saß, fühlte es sich komisch an, von modernen Menschen Sächsisch zu hören. Jetzt ist mir klar: Das ist mein eigenes Vorurteils-Bier. Ich bin nicht der Einzige, den es traurig macht, dass kaum mehr Bairisch gesprochen wird. Aber oft sind es genau die, die sich gleichzeitig über die Ossis aufregen. Und oft habe ich es auch erlebt, dass Menschen wegen dämlicher Politiker ihr Bairisch aufgegeben haben, weil sie mit einer gewissen Geisteshaltung nicht in einem Topf schwimmen wollen. Ich hätte nie geglaubt, dass ich einmal auf einen Rückschritt hoffen würde – nach vorn. Den haben zumindest die Sachsen nicht nötig, und Ulbricht damit auf ihre Art getrotzt.

Artikel vom 11.08.2011
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