Albrecht Ackerland über Raufereien

München · Da schau her!

München · Ich muss an dieser Stelle einmal eine Lanze für die Sendung „Bayern 1 – Die Volksmusik“ brechen. Ein wunderbares Kleinod frühabends um sieben. Das ist eine Stunde der unfassbar zeitlosen Moderationen mit einer Musik, die sowieso keine Zeit zu kennen scheint.

Nur wenn die Dreigesänge kommen, dann schalte ich doch gerne rüber zu Bayern 2. Dort läuft zur selben Zeit der „Zündfunk“. Und im besten Fall sagt dort gerade der Sprechkünstler Noe Noack einen Beitrag über Punkergewalt im Altötting der achtziger Jahre an. Die beiden Sendungen sind für sich Juwele. Wir sollten eine Petition starten beim neuen Intendanten, dass eine Zeitversetzung her muss. Aber wenn ich so darüber nachdenke, dann sollten wir lieber froh sein, dass der Bayerische Rundfunk eine seiner besten beiden Sendungen überhaupt so, wie sie sind, betreibt. Neulich war ich wieder im Zwiespalt. Das heißt: Ich war gefesselt von der Volksmusikshow und dachte gar nicht daran, zum „Zündfunk“ zu schalten, obwohl es freilich interessant gewesen wäre, ob dort gerade die Punker aus Altötting stattfinden. Denn: Auf Bayern 1 war die Überschrift der Sendung „Traditionsgeprägte Gewalt in Gaststätten“. So lautet freilich meine Zusammenfassung, die Stimmung in der tatsächlichen Sendung war viel zünftiger.

Da jagte ein Gstanzl das nächste, wie der Beppi die Watschnkunst versteht, und in den Ansagen wurde liebevoll von Raufereien erzählt, die das ländliche Leben früher erst lebenswert machten. Da wurde mir klar, was ich aus eigener Erfahrung längst wusste: Die Jugendgewalt von heute ist die Waldfestschlägerei von gestern.

Das soll nun keineswegs verharmlosen, wenn Menschen anderen Menschen weh tun. Noch schlimmer: Offenbar gibt es heute manchmal kein Halten mehr, selbst wenn der Gegner kampfunfähig am Boden liegt. So etwas ist schlimm. Um so besser ist es, diese Themen in den Schulen anzugehen, sich damit auseinanderzusetzen, den Sinn zu schärfen für ein friedliches Miteinander. Das wäre früher mitunter bitter nötig gewesen, das bezeugte jüngst eben sogar die Volksmusiksendung auf Bayern 1. Der Großvater meines Großvaters kam allen Ernstes bei einer Wirtshausschlägerei ums Leben. Es ist ein schöner Fortschritt, wie wir uns heute mit Gewalt auseinandersetzen – was hoffentlich viele Früchte trägt. Und sei es nur, dass wieder gscheit gerauft und weniger geschlägert wird. Manchmal sehne ich mir den Schulfunk auf Bayern 1 herbei.

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Artikel vom 21.07.2011
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