20-Jährige liebt Altgriechisch und gewinnt Wettbewerb

Lehel · Tot, aber lebendig

Sokrates, Monika und Platon (v. l.) – seelenverwandt? Immerhin begeistert sich die Abiturientin für die alte Sprache dieser Philosophen.	Foto: scy

Sokrates, Monika und Platon (v. l.) – seelenverwandt? Immerhin begeistert sich die Abiturientin für die alte Sprache dieser Philosophen. Foto: scy

Lehel · Man kann nicht gerade sagen, dass der griechische Philosoph Sokrates eine besonders hohe Meinung über junge Leute hatte. Überliefert ist eine Schimpftirade von ihm, in der er kein gutes Haar am Nachwuchs lässt. Jugend kann aber auch anders.

Das zeigten beispielsweise die 700 jungen Teilnehmer des Landeswettbewerbs »Alte Sprachen«. Ihr gemeinsames Faible: Latein und Griechisch. Eine der Preisträgerinnen, Monika Rechenauer, machte jüngst am Wilhelmsgymnasium im Lehel ihr Abitur. Sie erreichte beim Wettbewerb Platz eins im Fach Altgriechisch. »Ich habs mit den Sprachen«, sagt die 20-Jährige. »Altgriechisch mochte ich immer schon am liebsten. Diese Sprache ist eine echte Herausforderung. Das gefällt mir.« Über das Altgriechische könne sie eintauchen in eine andere, eine fremde Welt, in eine Welt, die »mal da war«. Auch der Klang der Sprache und ihr Rhythmus haben es ihr angetan. »Ich bin ein musischer Mensch«, sagt sie. Unter anderem spielt sie Violine in ihrer Freizeit. Aber sie mag auch die praktischen Dinge: Kochen, Gartenarbeit, Stricken. »Ich tue gerne das, wo Genauigkeit gefragt ist«, erzählt Monika. Physik ist ein anderes Lieblingsfach. »Ebenso wie die griechischen Philosophen wollen Physiker die Welt erklären. Das interessiert mich«, so die Abiturientin. Noch ehe man sie danach fragt, ist klar: Partys, Disco, Shopping, das eben, was so viele machen in ihrem Alter, ist nicht ihr Ding. »Das Glück liegt anderswo«, sagt sie und zitiert Demokrit: »Das Glück wohnt nicht im Besitze und nicht im Golde, das wahre Glücksgefühl ist in der Seele zuhause.«

Monika ist eine nachdenkliche junge Frau. »Für das wahre Glück kommt es immer auf uns Menschen selbst an. Doch viele Menschen machen den Fehler, Glück mit Konsum und dem Erwerb von Statussymbolen zu verwechseln beziehungsweise es dadurch zu ersetzen«, sagt sie. Viele der aktuellen wirtschaftlichen Probleme würden daher rühren, dass man das rechte Maß verlernt habe und überall immer mehr rausholen wolle. Die Folge, so Monika: »Irgendwann stürzt das ganze System zusammen.« Auch dieses Nachdenken über die Welt, das Forschen nach Wahrheit, hat sie durch den Griechisch-Unterricht gelernt.

»Wer humanistische Sprachen lernt, der lernt mehr als nur eine Sprache«, weiß Michael Hotz, Schulleiter des Wilhelmsgymnasiums. Es werde auch etwas angerührt in der eigenen Persönlichkeit. Man bilde sein eigenes Wesen weiter. Der Horizont weite sich. Sicher auch ein Grund, warum Latein und Griechisch nach wie vor beliebt sind. Eine aktuelle Bestandsaufnahme des Bayerischen Kultusministeriums zeigt: Die Nachfrage vor allem nach Latein hält bis heute bei den Schülern an den Gymnasien in Bayern an. Am Landeswettbewerb »Alte Sprachen«, der jährlich ausgeschrieben wird, können Schüler teilnehmen, die im neunjährigen Gymnasium entweder Latein- oder Griechisch-Leistungskurse belegt haben oder am achtjährigen Gymnasium das entsprechende Fach in der Oberstufe besuchen.

In diesem Jahr wurden wegen des doppelten Abiturjahrgangs zwei Wettbewerbsdurchgänge getrennt für G9 und G8 vorgenommen. 700 Schüler waren insgesamt dabei. Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle ehrte die acht Sieger Ende Juni. In der ersten Runde war von den Teilnehmern ein Text zu übersetzen, in der zweiten Runde eine schriftliche Hausarbeit vorzulegen und in Runde drei mussten die Teilnehmer in einem Prüfungsgespräch überzeugen. Die Sieger erhielten Geld- und Buchpreise und wurden außerdem in die Studienstiftung des deutschen Volkes aufgenommen. Unter ihnen auch ein anderer Münchner: Dominik Ruf vom Oskar-von-Miller-Gymnasium, der im Fach Latein Platz eins erreichte.

Normalerweise werden nur die vier besten Teilnehmer jedes Wettbewerbes in die Studienstiftung aufgenommen. Heuer aber sollen alle 20 Finalisten eingeladen werden. »Das ist auch nicht in jedem Jahr so«, sagte Wettbewerbsleiter Reinhold Koller. »Doch das Niveau war in diesem Jahr besonders hoch.« Was wohl Sokrates dazu sagen würde, werden wir zwar nie erfahren. Zumindest, er hätte einen plausiblen Grund, seine Meinung über die jungen Leute zu revidieren.

Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 19.07.2011
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