Da schau her! Albrecht Ackerland zum Münchner SamstagsBlatt: "Seltsames" zu Zeiten der bundesweiten Volksbefragung

München · Albrecht Ackerland über Datensammelei

Das Schlimmste ist, dass sich kaum einer aufregt. Da werden Auskünfte zusammengesucht, alles freilich legal und alles für den guten Zweck, geht es doch vor allem um die EU, auf dass die Zuschüsse richtig an die Regionen verteilt werden. Aber ich will nicht, dass da eine Behörde hier ein bisserl was von mir holt und da und dort – und ich weiß noch nicht einmal davon.

Denn das ist noch viel Schlimmer: Gesammelt wird hinterrücks. Ich erinnere mich noch gut an die Aufregung in den Achtzigern, als an jedem Türl ein Volkszähler klopfte und ein jedes arme Mutterl noch ausfragte. Da konnte man sich noch wehren, verweigern, Remmidemmi machen.

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Remmidemmi könnte man heute schon auch noch machen, nur geschieht das Zammrammschen von Persönlichem sowieso – und vollautomatisch. Es hat seinen guten Grund, dass all das, was unser Leben ist, nicht an einem Ort liegt, sondern die Stellen des Staats, die sich damit befassen, miteinander nichts austauschen sollen. Wir haben leider lernen müssen, besser: wir durften auf dem Rücken vieler Opfer in der Geschichte lernen, dass es nicht gut ist, wenn der Staat seinen Bürger allzu gut kennt. Ich hoffe sehr stark und glaube auch daran, dass dieser unser Staat kein Schindluder treibt mit dem, was er da geradezu ermittelt. Aber wer weiß.

Allerdings wäre es nun auch ein schlechter Witz, sich über etwas aufzuregen, was ich und viele von uns freiwillig machen. Auf Facebook im Internet nahezu öffentlich, was ich wann wo wie treibe – und wie ich das finde. Selbstverständlich nutze ich auch eine Paybackkarte, eigentlich das Plastik der Vollüberwachung, nämlich die der Wirtschaft, die ihren Kunden selbstverständlich gar nicht exakt genug kennen kann und will. So gebe ich also für ein paar Punkte, die mir später einen Freiflug etwa in das Mutterland der freundlichen Überwachung bringen, den USA, so gebe ich also vollkommen ohne Zwang preis, welche Zahnpasta ich kaufe, und dass ich offenbar einen Hang zum Weißbier habe. Wurscht, Freiflug mit der Lufthansa!

Es sind schon wirklich seltsame Zeiten, in denen ich und viele von uns so sehr mit uns selbst beschäftigt sind, dass wir gar nicht merken, dass wir uns dringend mit uns selbst beschäftigen sollten.

Artikel vom 16.06.2011
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