Weiß-blaue Töne

Mit Leib und Seele

Die Vorstadtkönige in der Stadionwirtschaft. Foto: A. Wild

Die Vorstadtkönige in der Stadionwirtschaft. Foto: A. Wild

München/Giesing · Als „Konzert mit Löwenbands“ haben die Freunde des Sechz'ger Stadions e.V. eine Veranstaltung zum 100-jährigen Geburtstag des Grünwalder Stadions überschrieben und die Punkrocker „8 Bier später" sowie „Die Vorstadtkönige“ angekündigt. Keine 24 Stunden nach Bekanntgabe waren die 150 Karten zum Sozialpreis von 5 Euro vergriffen.

Bei bestem Biergartenwetter lassen viele Besucher den Samstagabend langsam angehen und machen es sich erst einmal vor der Stadionwirtschaft gemütlich. Drinnen ist die altehrwürdige Gaststätte unter der Haupttribüne von Tischen und Stühlen befreit. Ein ungewöhnlicher Ort für ein Konzert. Die Instrumente der Musiker stehen ebenerdig vor der Stirnwand, die sonst ein Pferdehalfter und ein 60er-Jahre-Plakat von Petar „Radi“ Radenkovic schmückt.

Der Auftritt zum Stadionjubiläum lockt eine bunte Besuchermischung jeglichen Alters und sozialer Herkunft an, die in dieser Form wohl nur Giesing zu Wege bringt. Eine Gruppe Damen und Herren zwischen 50 und 60 Jahren, offenbar Anwohner im Viertel, hat sich in eine Ecke vor dem Tresen zurückgezogen und lauscht mit stoischer Miene und einem Bierglas in der Hand den wilden Klängen der Streetpunk-Formation „8 Bier später“. Weil der zweite Gitarrist noch im Stau steckt, vertritt ihn spontan ein Gast. Freunde der Band stehen in der ersten Reihe. Zu heftig wird es nur einer freundlichen Thekenhilfe, die besorgt fragt, ob „die andere Band“ denn auch so laut sein würde. Da der Berichterstatter mit „stark zu vermuten“ antwortet, deutet sie an, sich in diesem Fall solange in der Küche verstecken zu wollen.

Als „Die Vorstadtkönige“ um Sänger Barny, die Gitarristen Marc und David, Bassist Herzner, Saxophonist Djtschke und Schlagzeuger Stichi die Bühne entern, schleudern sie ein energiegeladenes Set in den Raum, das die Zuhörer vom ersten Song an mitreißt. Die Nummern sind klassischer Punk-Rock, der mit Ska-Riffs, -Bassläufen und einem Saxophon angereichert ist. Bei den weiß-blauen Fußball-Hymnen „Passion aus Tradition“, „Boys in Blue“ und „Mit Leib und Seele“ gröhlt die ganze Stadionwirtschaft lauthals mit.

Vor der improvisierten Bühne versammeln sich Pogotänzer. Auch sie in einer Melange, die man sonst auf Szene-Konzerten nicht sieht: Bullige junge Landmänner in Lederhosen, Wadlstrümpf und Haferlschuhen stürzen sich ins Getümmel mit tätowierten Punkern, Alt-Rockern in Fankutte und „Working Class“-T-Shirt-Trägern mit Kurzhaarschnitt und Backenbart. Weitab von Schickeria, Prosecco und Sprizz feiert Giesing sich selbst. Der Auftritt ist erst vorbei, als das Publikum zum dritten Mal „Mit Leib und Seele“ fordert und bekommt. Cooler und korrekter ist einem die Löwenwelt lange nicht mehr erschienen.

Alfons Seeler

Artikel vom 07.06.2011
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