Wendelsteinschule feiert 60-jähriges Jubiläum

Vaterstetten · Tafeldienst seit 1951

Ein wenig Nostalgie ist auch dabei: Ehemalige Schüler der Vaterstettener Wendelsteinschule erinnern sich an die Zeit, als sie die Schulbank drückten.	Foto: Sybille Föll

Ein wenig Nostalgie ist auch dabei: Ehemalige Schüler der Vaterstettener Wendelsteinschule erinnern sich an die Zeit, als sie die Schulbank drückten. Foto: Sybille Föll

Vaterstetten · „Meine Klassenfotos waren schon farbig.“ – „Ach, das ist ja die Neunert, mei, die hatte schon mein Bruder! Wenn meine Tochter sie jetzt in der ers­ten Klasse bekommt, schließt sich der Kreis“.

Im Lehrerzimmer der Grundschule an der Wendelsteinstraße sitzen Thomas Neff, Fritz Bayerlein, Claudia Reimer, Elisabeth Bieler und Karin Wallisch zusammen, alle ehemalige Schüler der Grundschule, und schauen sich alte Klassenfotos an, die Schulleiterin Susanne Anderl-Schottner aus dem Archiv ausgekramt hat. Die Schule feiert in diesem Jahr 60. Geburtstag. Und deswegen soll es eine Festschrift geben mit alten Fotos, Anekdoten und Dokumenten. Wallisch hält ein Foto in der Hand und erkennt Bruder und Ehemann. Es sind 1951 geborene Kinder, das Jahr, in dem die Schule erbaut wurde – damals allerdings nur als eingeschossiger Pavillon. In diesen Pavillon kommt Fritz Bayerlein 1952 in die dritte Klasse. „Der stand damals noch auf der grünen Wiese“, erinnert er sich. Und über die kamen die Kinder gelaufen, auch die aus Baldham-Dorf. „Die hatten einen Sonderstatus, sie durften im Winter immer zu spät kommen, weil sie sich durch die Schneeverwehungen kämpfen mussten. Im Sommer haben sie sich an die Heuwagen der Bauern gehängt, manchmal kam der nur noch mit der Hälfte auf seinem Hof an, weil die alles rausgerupft haben“, erzählt Bayerlein grinsend. Zuvor war er in der alten Dorfschule gewesen, die am Ortsrand am Parsdorfer Weg stand. Sie ist inzwischen abgebrannt.

Dort hatte es noch frei hängende Tafeln mit Gegengewicht gegeben, in dem Neubau an der Wendelsteinstraße hängen Wandtafeln. „Wir haben uns um den Tafeldienst gestritten, weil wir die so toll fanden“, berichtet Bayerlein. Schiefertafel, Federkiel und Tintenfass waren die Utensilien für den Unterricht, alles im Pult deponiert. Das Fach Deutsch gab es noch nicht, vielmehr Aufsatz, Schönschreiben und Sprachlehre, außerdem Rechnen, Heimatkunde und Werken, für die Mädels Handarbeit. Wer nicht brav war, wurde an den Haaren gezogen oder musste die ganze Stunde über mit beiden Händen flach auf dem Tisch und einem Stift darüber liegend still sitzen.

Einen Kaplan aus dem Fenster gehängt…

„Wir waren trotzdem nicht brav“, sagt Wallisch, die 1965 zur fünften Klasse in die Wendelsteinschule kam. „Einmal haben wir einen Kaplan aus dem Fenster gehängt – an seinen Hosenträgern. Mei, der hat ganz schön geschwitzt“, erzählt sie lachend. Das war schon im Neubau, der 1958 errichtet worden war, weil die Schule aus allen Nähten platzte. 1954 gab es für sechs Klassen nur drei volle und einen behelfsmäßigen Raum, der Unterricht musste in Schichten abgehalten werden. 1964 wurde die Schule zum zweiten Mal erweitert. Elf Lehrer, zwölf Lehrsäle und vier Unterrichtsräume im Keller standen nun zur Verfügung, außerdem eine Turnhalle, seit 1960 ein Kindergarten und seit 1961 ein Hort. Als Bieler und Neff 1971 und 1973 eingeschult werden, ist bereits der dritte Erweiterungsbau abgeschlossen. Körperliche Strafen gibt es nicht mehr, „aber wir mussten in der Ecke stehen“, erinnert sich Bieler. „Trotzdem war der Respekt vor den Lehrern da. Wenn der ins Klassenzimmer kam, waren alle mucksmäuschenstill.“

Bewegung war bis in die 90er kein Thema in der Schule. „In der Pause durften wir nur rumgehen und unser Brot essen, Ballspielen war verboten“, erzählt Neff. „Bei Regen mussten alle in die Pausenhalle, die hatte einen spiegelglatten Boden, da haben wir Anlauf genommen und sind auf den Knien bis zu zehn Meter weit gerutscht. Meine Mutter war begeistert von den Löchern in den Hosen“, sagt er grinsend. „Es gab auch keine Spielgeräte im Pausenhof, außer so einem Kletterbogen. Aber wir Mädchen haben immerhin Gummitwist gespielt“, so Bieler. Das heutige Fach Sport hieß damals noch Turnen. Mit dem Respekt geht es im Laufe der Jahre abwärts. Reimer, die 1986 in der Wendelsteinschule in die erste Klasse kommt, erinnert sich an ihren Mitschüler Lenz, den Unruhestifter, der die Halogenleuchten zerdeppert. In den Pausen werden Banden gegründet, die sich erbitterte Kämpfe liefern. „Uns Mädchen haben sie an den Haaren an die Fahrradständer gebunden“, erzählt sie. Trotzdem wachsen die Kinder noch behütet auf.

„Hortkinder waren Exoten“

„Hortkinder waren Exoten, die meisten Mütter waren zuhause und haben nicht gearbeitet. Aber wir waren nicht überbehütet. Wenn einer mit blauen Flecken heimkam, ist keine Mutter in die Schule gerannt und hat sich beschwert. Wir haben auch nicht gepetzt, das haben wir untereinander ausgemacht. Das ist heute anders“, sagt sie.

Damit die Kinder, die heute die Grundschule an der Wendelsteinstraße besuchen, die Unterschiede von damals und heute erfahren, ist das Jubiläum der Schule das ganze Jahr über präsent, bis zum großen Festakt am 9. Dezember, dem Tag, an dem die Schule vor genau 60 Jahren eingeweiht wurde. Auftakt der Jubiläumsfeierlichkeiten war am 6. Mai mit einem Maibaumfest. Nun wird im Unterricht das Thema in einzelnen Projekten integriert. So dürfen die Kinder etwa ausprobieren, wie man mit Federkiel schreibt oder sie studieren alte und neue Tänze und Lieder ein. Am 16. Juli wird es ein Sommerfest geben, bei dem alle Arbeiten der Schüler präsentiert werden.

Dann erfährt die Tochter von Thomas Neff, die die zweite Klasse besucht, was ihr Vater alles lernen musste, und die Tochter von Elisabeth Bieler, die im Herbst eingeschult wird, lernt die Klassenlehrerin ihres Onkels kennen. So schließt sich der Generationenkreis. Für das „Geburtstagsheft“ sucht die Schule weiterhin Ehemalige und Zeitzeugen, die von ihren Erlebnissen berichten und vielleicht noch alte Fotos beisteuern können – leihweise versteht sich. Alle Materialien können jederzeit in den Briefkasten der Schule eingeworfen oder per Post geschickt werden an die Adresse: Wendelsteinstraße 8, 85591 Vaterstetten. Fragen werden unter Telefon 0 81 06 / 36 82 30 beantwortet.

Von Sybille Föll

Artikel vom 26.05.2011
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