Pro und contra: Klettergarten im Bannwald

Vaterstetten · Mit der Natur bauen

Schadet ein Klettergarten der Flora und Fauna des Bannwalds? In Vaterstetten gehen die Meinungen darüber auseinander.	Foto: Estermann Event & Abenteuer GmbH

Schadet ein Klettergarten der Flora und Fauna des Bannwalds? In Vaterstetten gehen die Meinungen darüber auseinander. Foto: Estermann Event & Abenteuer GmbH

Vaterstetten · Durch Gurte mit Seilen verbunden, die im Fall eines Absturzes Halt geben, balancieren Kinder und auch Erwachsene über wackelige Holzplanken, erklimmen Plattformen in schwindelerregender Höhe zwischen Baumkronen und sausen an Rollen hängend, die kaum größer sind als die von Inlinern, wieder zu Boden.

Wer schon mal in einem Kletterwald, oder auch „Seilgarten“ genannt, war, weiß um den „Kick“, den man hier erfährt, aber auch um die Herausforderungen. Denn man braucht Mut, ein gutes Körpergefühl und Vertrauen – in die Technik und in sich selbst. Quasi vor der Haustür hätten die Vaterstettener bald die Möglichkeit, sich diesen He­rausforderungen zu stellen, denn die Estermann Event & Abenteuer GmbH aus Eiselfing plant einen solchen Seilgarten im Wald nordwestlich von der Gemeinde, nahe der Straße Richtung Ottendichl.

Doch da es sich um einen Teil des Bannwaldes handelt, der eine Schutzfunktion für Luft, Boden, Wasser und – speziell bei Westwind – gegen den Lärm der A99 hat, wurden von einigen Lokalpolitikern und Umweltschützern die Alarmglocken geläutet. FBU-Gemeinderat Manfred Schmidt empörte sich in einer Pressemitteilung über den „Missbrauch“ des Bannwalds und befürchtet „eine umfangreiche und flächenverzehrende Infrastruktur mit Wasser-, Kanal- und Stromanschlüssen für Restaurant und diverse andere Baulichkeiten sowie Parkplätze.“ Darüber hinaus würde mehr Verkehr auf die Gemeinde zukommen, denn damit eine solche Einrichtung rentabel wirtschaften kann, müssten pro Jahr 15.000 Besucher kommen. So wie beim ebenfalls von Estermann betriebenen Seilgarten in Prien. Der Bund Naturschutz rechnet wegen der Nähe zu München eher mit der doppelten Anzahl. Der geplante Parkplatz von 50 Plätzen sei deshalb viel zu klein dimensioniert.

Der Umwelt zuliebe woanders bauen

Heinz Vierthaler, Vorsitzender der örtlichen Gruppe des Bund Naturschutz (BN), hält den Klettergarten „für eine sinnvolle, sportliche Angelegenheit für Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene“. Allerdings sei der dafür vorgesehene Bannwald an der Straße nach Ottendichl aus Naturschutzgründen der falsche Standort. „Ich selbst bevorzuge Klettergärten auf der grünen Wiese“, so Vierthaler gegenüber dem Ebersberger „Kurier am Wochenende“. Der Bannwald sei zwar von den Bäumen her gesehen nicht besonders wertvoll, da er hauptsächlich aus Fichten und Kiefern bestehe. Wertvoll seien aber die im Bannwald vorkommenden Pflanzen, darunter seltene Lilienarten, die auf der Roten Liste stehen. Am Waldrand sei wertvoller Laubbaumaufwuchs wie Birken, Buchen und Eschen zu beobachten.

Ferner seien auch die im Bannwald lebenden Wildtiere, wie Rehe und Hasen, gefährdet. Haars Jagdpächter etwa befürchtet Wildunfälle durch aufgeschreckte Tiere auf der Verbindungsstraße Vaterstetten-Ottendichl wegen des Lärms, der durch den Kletterwald entstehe. Der BN empfiehlt im Genehmigungsverfahren eine „Spezifische artenschutzrechtliche Prüfung“ (SaP) durchzuführen. Der Gemeinde Vaterstetten empfiehlt der BN zu beantragen, dass das gesamte Areal als „Landschafts-Bestandteil“ (LB) unter Schutz gestellt werde. Oder stattdessen den Kauf des Bannwaldes durch die Untere Naturschutzbehörde zu ermöglichen, heißt es in einer offiziellen Pressemitteilung des BN. Die Natur sei nicht gefährdet und den Klettergarten könne man auch nicht auf der grünen Wiese bauen, sagt der poten­ztielle Klettergarten-Betreiber Wolfgang Estermann: Der Seilgarten sei nicht zu vergleichen mit Hochseilgärten oder anderen Kletteranlagen. „Wir vernichten keine Natur, sondern bauen mit der Natur.“ Menschen sollten innerhalb eines sicheren Rahmens in den Wald gelockt werden, um ihnen die Natur nahe zu bringen. Im Wald spazieren gehen sei für Kinder langweilig. Hier könnten sie den Wald entdecken, während Eltern entweder mitmachen oder unter ihren balancierenden Sprösslingen spazieren gehen.

Um die Seile, Plattformen und Brücken an den Bäumen zu befestigen, werden die Teile mittels Hölzern am Stamm festgeklemmt. „Da der Baumstamm nach unten dicker wird, kann da nichts rutschen“, so Estermann. Weder der Saftfluss werde dadurch beeinträchtigt noch das Kambrium (Außenrinde) des Baumes abgedrückt. In regelmäßigen Abständen werde kontrolliert und in Anpassung des Baumwuchses würden die Schlingen geweitet oder versetzt. „Wir zerstören keine Natur, sondern betreiben eher aktiven Naturschutz in einem kontrollierten Raum.“

Schon beim Bau des Seilgartens werden laut Estermann keine schweren Maschinen eingesetzt, sondern jedes Stück Holz und jede Schlinge per Hand angebracht. „Außerdem verwenden wir nur einheimische Lärchenhölzer.“

Nicht viel von der Natur abzweigen

Der Klettergartenbetreiber betont außerdem, dass es kein Restaurant geben werde, sondern lediglich eine Blockhütte, in der notwendiges Material wie Gurte und Helme untergebracht sind. „Und da an dem vorhandenen Weg quasi schon eine Reihe Parkplätze vorhanden ist, müssten wir auch hier nicht mehr viel von der Natur abzweigen.“ In Prien habe es im Vorfeld auch viele Diskussionen gegeben, schließlich befinde sich der dortige Seilgarten in einem Naturschutzgebiet. „Jetzt hört man kein Wort mehr“, so Estermann.

Niedergesäß ist für das Projekt

Bürgermeister Robert Niedergesäß (CSU) steht dem Projekt sehr positiv gegenüber: Das Waldstück liege in der Nähe der Autobahn, habe also aus Sicht des Naturschutzes „nicht die höchste Wertigkeit“. Außerdem sei der Standort weit genug von der Ortschaft entfernt, so dass es keine Belästigungen von Anwohnern geben würde. „Ich sehe die Einrichtung als Bereicherung für Vaterstetten. Es ist eine gute Möglichkeit für eine generationenübergreifende Freizeitgestaltung.“ Ohnehin hat laut Niedergesäß die CSU bereits 2009 einen Antrag auf den Bau der Anlage gestellt und dieser sei parteiübergreifend im Familien- und Kulturausschuss einstimmig befürwortet worden. Die Untere Naturschutzbehörde des Landratsamtes Ebersberg hat mittlerweile eine Stellungnahme zu dem geplanten Seilgarten verfasst, die jedoch der Gemeinde Vaterstetten bei Redaktionsschluss noch nicht vorlag. Landrat Gottlieb Fauth wollte sich zum Inhalt nicht äußern, da es ein internes Papier für die Gemeinde sei. „Wir werden das Thema jetzt sachlich abarbeiten“, so Bürgermeister Robert Niedergesäß.

Von Sybille Föll

Artikel vom 19.05.2011
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