Albrecht Ackerlands Tipp: „Liebe Anwohner, legt das Kissen auf die Fensterbank und nehmt an der historischen Episode teil.“

München · Thema der Woche: Sicherheit des Beieinanderseins am Gärtnerplatz

München · Es kommt viel zu selten vor, dass ich einen Pressebericht des Münchner Polizeipräsidiums lese und mich freue. Jetzt ist dies passiert. Versteckt im Fließtext zum Zweijährigen des „Sicherheits- und Aktionsbündnisses Münchner Institutionen (S.A.M.I.)“ schreiben Polizei und KVR unisono:

„Die überwiegend jungen Menschen verweilen friedlich an der Örtlichkeit, d.h. es wurden bislang nahezu keine sicherheitsrechtlich relevanten Verstöße (z.B. Körperverletzung, (...) Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, Diebstahl, Sachbeschädigung usw.) festgestellt.“

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Das ist ein eigenes Gärtnerplatzfest wert, wie ich finde: Menschen finden sich zusammen, trinken freilich auch, so wie es der Mensch seit abertausenden von Jahren tut – und: nichts passiert. Was an einem simplen Joint, der ja offenbar dabei sowieso nicht geraucht wird, was an dem „sicherheitsrechtlich relevant“ sein soll, verstehe, wer will; aber darum geht es schließlich gar nicht.

Es geht darum, dass selbst die oft wenig zimperliche Münchner Polizei in einem Pressebericht regelrecht lobt, wie friedlich es doch zuginge am Gärtnerplatz. Eine treffende Beobachtung. Ich selbst habe es mir aus reiner Faszination mitangesehen, wie sich an mehreren Freitagabenden nahezu tausend Menschen auf dem Rondell am Theater einfinden und eine wunderbare Zeit verbringen. Da streitet keiner, da schwingt keine Aggression in der Luft, da fliegen keine Flaschen, später grölt vielleicht einer von Dreihundert. Wäre ich Grantler, ich regte mich über die Züchtigkeit der Münchner Jugend auf.

Um es aber einmal auf den Punkt zu bringen: Da zähmt und züchtigt sich keiner, und was man den heutigen Menschen manchmal als beängstigend geringen Hang zur Aufmüpfigkeit ankreiden könnte, ist am nächtlichen Gärtnerplatz für mein Gefühl vor allem: Besonnenheit. Eine der wichtigsten Eigenschaften, die ein angenehmer Mensch so mit sich bringen kann.

Wenn, wie seit einigen Jahren nun, die Anwohner wirklich nicht zu beneiden sind, so müssen wir Münchner uns doch freuen, dass so etwas, wie am Gärtnerplatz, überhaupt lebt. Was wir in diesen Zeiten erleben, ist gelebte Stadtkultur – wenn auch ein nicht geringer Teil der Platz-Wochenendler eher „Ebersberg“ im Pass stehen haben. Sei‘s drum, liebe Anwohner, haltet durch, erkennt und genießt die Tatsache, dass ihr im Hier und Jetzt teilnehmen könnt an einer historischen Münchner Episode. Nehmt das Kissen, legt es auf die Fensterbank, so ist es gute Tradition, die hier in die Moderne geführt werden kann.

Artikel vom 12.05.2011
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