Mitglied der »Wasserfreunde« knackt regelmäßig Rekorde

Zentrum · Irgendwie ein Talent

Im Wasser ist Hans Reichelt ganz in seinem Element: Er knackt regelmäßig Rekorde, auch wenn ihm das Training »erstmal keinen Spaß« macht.	Foto: Privat

Im Wasser ist Hans Reichelt ganz in seinem Element: Er knackt regelmäßig Rekorde, auch wenn ihm das Training »erstmal keinen Spaß« macht. Foto: Privat

München/Zentrum · Schwimmsachen einpacken, zur U-Bahn gehen, sich umziehen – und dann ab ins Wasser. »Ich muss mich jedes Mal überwinden, zum Training zu gehen«, gesteht Hans Reichelt, Mitglied des »Schwimmclubs Wasserfreunde München« (SCW) an der Sandstraße in Maxvorstadt.

Und wenn er dann seine Bahnen ziehe, sei es auch erstmal kein Spaß. »Ich muss mich jedes Mal wieder neu an das Wasser gewöhnen. Und ehrlich, wenn ich dann schwimme, ist es nicht gerade erfreulich.« Er tut es trotzdem. Hans Reichelt schwimmt seit er ein kleiner Junge ist, damals noch in Jena, später in Washington, und knackt heute regelmäßig Welt- und Europarekorde. Und das in seinem Alter: der erfolgreiche Sportler wird demnächst 75 Jahre alt. »Ich habe halt irgendwie ein Talent, besonders beim Brustschwimmen«, meint er. Besonders hart trainiert er nämlich nicht. »Ich gehe nur zwei- bis dreimal pro Woche zum Training«, verrät er. Das sei wirklich nicht besonders viel. Gut, ein bisschen Krafttraining macht er noch dazu. »Aber mehr nicht.« Nennen wir es also Talent. Genug, um beispielsweise den japanischen Weltrekordhalter Nakamaru aus dem Rennen zu schlagen. So geschehen Ende März bei den bayerischen Meisterschaften der Masters-Schwimmer über die langen Strecken in Schweinfurt. Hans Reichelt gilt nun in seiner Altersklasse 75 als weltschnellster Mann über 100 und 200 Meter Brustschwimmen.

Die 100 Meter schaffte er in 1:26,76 Minuten und die 200 in 3:15,57 Minuten. »Die Wettkämpfe spornen mich an. Ich brauche sie, um überhaupt zum Schwimmen zu gehen. Es muss immer ein nächstes Ziel geben«, so Reichelt. Anfang Juni geht es deshalb weiter, bei einem Wettkampf in Florenz, wo Reichelt sich für 50 und 200 Meter angemeldet hat. Einen Monat später wird er bei den deutschen Mastermeisterschaften in Hannover mit seinem Team Staffeln schwimmen. Verbissen ist er trotzdem nicht. Sein Motto: »Mal sehen wie es läuft.« Das passt zu ihm. Denn Hochleistungssportler zu werden, das war nie sein Wunsch. Reichelt pausierte jahrzehntelang sogar fast völlig, da ihn sein Job, damals noch in Amerika, sehr in Anspruch nahm. Erst im Alter von 45 Jahren griff er wieder ins Wettkampfgeschehen ein.

Im Jahr 1995 zog er nach München und trat dem SCW bei – und dort schwimmt er heute noch. »Dort herrscht eine tolle Atmosphäre und ich habe Kollegen, mit denen ich seit vielen Jahren zusammen schwimme«, sagt der 74-Jährige. Warum er anderen empfehlen würde, schwimmen zu gehen? »Erfreulich ist es erst am Ende. Wenn man aus dem Becken steigt, dann kommt langsam der Hochgenuss. Dann fühlt man sich gut durchblutet – und richtig wohl.« Rekord-Schwimmer wie Hans Reichelt sind beim SCW übrigens keine Seltenheit. »Die Wasserfreunde München reden national wie auch international stets ein Wörtchen mit«, sagt SCW-Sprecher Stefan Drexl. »Wir haben über die Jahrzehnte hinweg immer wieder Schwimmer, die beeindruckend gute Leistungen zeigen.«

Im nächsten Jahr feiert der SCW sein 100-jähriges Bestehen. Zu den erfolgreichsten Vereinsmitgliedern gehörten unter anderem Edi Binegger, der erste Kandidat des SCW bei den Olympischen Spielen 1936. Besonders glanzvolle Zeiten für die Wasserfreunde brachen in den 1950er- und 1960er-Jahren an. Unter Horst Heinke, der seit 1952 20 Jahre lang Trainer der Wettkampfmannschaft und Sportlicher Leiter war, gab es 34 Deutsche Meisterschaftstitel im Einzel, 66 deutsche Rekorde und drei Olympiateilnehmer. 1959 feiert die Presse München als deutsche Schwimmhochburg, beim Empfang der erfolgreichsten Sportler im Rathaus stellten die Wasserfreunde stets die größte Gruppe. 1960 schwamm Hans-Joachim Tröger über 200 Meter Brust in 2:34,2 Minuten Weltbestzeit. Hermann Lotter vertrat den SCW bei den Olympischen Spielen in Rom. 1961 war das erfolgreichste Jahr der Mannschaft: deutsche Staffelmeister in Delfin, Brust und Lagen, sowie zahlreiche Einzelsiege.

Bei Olympia mitzumischen gelang auch 1992 in Barcelona. Dort gewann die deutsche Freistilstaffel mit SCW-Mitglied Christian Tröger Bronze. »Auch heute schläft der Nachwuchs nicht«, so Stefan Drexl. »Schwimmen boomt.« Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.scw-muenchen.de. Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 10.05.2011
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