Gefilmt als Lehrer: Studenten erproben Unterrichtsverhalten

Schwabing · »Coole« Klassen

Joachim Kahlert, Waltraud Lucic und Ludwig Spaenle (v.l.) stellten vergangene Woche das Projekt UNI-Klassen in Schwabing vor.	Foto: scy

Joachim Kahlert, Waltraud Lucic und Ludwig Spaenle (v.l.) stellten vergangene Woche das Projekt UNI-Klassen in Schwabing vor. Foto: scy

München/Schwabing · Der ehemalige Ministerpräsident Edmund Stoiber streute so viele »Ähs« in seine Reden, dass man, wenn man mitzählen wollte, hübsch ins Straucheln kam. Auch angehende Lehrer geizen, so zeigte sich, nicht gerade mit Füllwörtern. Hoch im Kurs ist zur Zeit die Floskel »Genau«.

Sie wird mit Vorliebe an die eigenen Sätze drangehängt. Innerhalb einer Unterrichtsstunde kommt da, man kann es sich vorstellen, ganz schön was zusammen. Diese Beobachtung ist eine von vielen, die beim Projekt »UNI-Klasse« an Schwabinger Grundschulen gemacht werden konnte.

»Studierende des Lehramts für Grundschule bekommen hier eine Rückmeldung, was sie während des Unterrichts tun und wie sie auf die Schüler wirken«, erklärt Projektleiter Kai Nitsche. Die UNI-Klassen der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) sind also Erprobungsräume. Sie werden nach dem Start an der Grundschule an der Haimhauser Straße im Herbst 2010, seit einigen Monaten auch an der Grundschule an der Simmernstraße realisiert. »Hier wurde ein entscheidender Eckstein einer intensiven Zusammenarbeit von Schule und Hochschule bei der Lehrerausbildung gelegt«, meinte Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle, der am vergangenen Dienstag an die Grundschule an der Simmernstraße kam, um sich einen Eindruck über das Projekt zu verschaffen.

Sein Fazit: »sehr beeindruckend.« Betritt man die UNI-Klasse, fallen sofort die Kameras ins Auge, die an verschiedenen Stellen angebracht sind. Auch Richtmikrofone sind installiert. So kann das Unterrichtsgeschehen in einen Nebenraum übertragen werden. Dort sitzen andere Studierende, aber auch Dozenten und Forscher, die den Unterricht live mitverfolgen können. Die Filmaufnahmen werden später gemeinsam analysiert.

»Da wird manchem plötzlich klar, wie oft er ›genau‹ gesagt hat oder dass er nervös durch den Raum gewandert ist oder seine Stimme falsch eingesetzt hat«, berichtet Nitsche. Selbst- und Fremdwahrnehmung würden oft weit auseinander klaffen. Meist würden die Studierenden erst in der Aufzeichnung erkennen, wo ihre Stärken und Schwächen liegen und können daran arbeiten, so Nitsche. »Es geht also darum, eigenes Lehrerhandeln zu reflektieren und weiterzuentwickeln.« Klingt erstmal selbstverständlich, ist es aber nicht, wie Michael Kirch, ebenfalls Projektleiter, weiß: »Wie bin ich im Unterricht rüber gekommen, ist eine zentrale Frage, die in der Ausbildung nicht ausreichend berücksichtigt wird.« Doch wer nicht gut rüberkomme als Lehrer, komme bei den Schülern nicht an. Unterrichtsstoff zu vermitteln, falle dann umso schwerer.

Das Projekt wurde von der LMU in Zusammenarbeit mit der Stadt München, der ­Regierung von Oberbayern und dem bayerischen Kultusministerium entwickelt. ­»Unterricht entwickeln, erproben, evaluieren – mit dem Konzept der UNI-Klasse ist die LMU Vorreiter in der modernen Lehrerbildung. Dieses Konzept gibt es bislang nirgendwo«, sagt Joachim Kahlert, Direktor des Münchner Zentrums für Lehrerbildung der LMU.

UNI-Klasse auch in anderen Schulen

Ein weiteres Plus: Die UNI-Klassen bieten ein Umfeld zur Verzahnung von erster, zweiter und dritter Phase der Lehrerbildung, da sowohl Studierende, Referendare als auch Lehrkräfte die UNI-Klassen nutzen können. Bisher allerdings nur an Grundschulen. Doch das soll sich ändern. »Langfristig wollen wir das Instrument der UNI-Klasse auch auf andere Schularten sowie andere Schul- und Hochschulstandorte ausweiten«, stellt Spaenle in Aussicht.

Ein Schritt, den auch Waltraud Lucic, Vorsitzende des Münchner Lehrerinnen- und Lehrerverbands (MLLV), sehr begrüßt: Die Aufgaben der Lehrer würden immer anspruchsvoller. Die UNI-Klasse sei ein »wesentlicher Baustein«, um sie darin zu unterstützen, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Bereits Hunderte haben schon von der Idee profitiert: Im aktuellen Sommersemester wurden an den UNI-Klassen 14 Seminare für etwa 420 Studierende angeboten, im kommenden Wintersemester soll sich die Zahl auf weitere 20 Seminare für rund 600 Studierende erhöhen. »Cool« ist der häufigste Kommentar der Schüler, wenn sie in der UNI-Klasse unterrichtet werden. Der Raum sieht anders aus, als sie es sonst gewohnt sind. Blaue, rote, grüne Stühle, dreieckige Tische, die beliebig umgestellt werden können und Tafeln, die sich verstellen und abnehmen lassen.

Raum passend zum Unterricht gestalten

»Das Mobilar ist variabel einsetzbar, so dass es sich für alle Altersgruppen und unterschiedliche Arbeitsformen eignet«, erklärt Nitsche. »Die Studierenden können den Raum also so gestalten, dass er zu ihrem Unterricht passt.«

Das kommt gut an bei den Nachwuchs-Lehrkräften, wie beispielsweise Kathrin Zollbrecht berichtet. Sie ist von der UNI-Klasse begeistert. »Ich finde diese Möglichkeit, schon während meines Studiums mein Lehrverhalten zu erproben und zu verbessern, sehr hilfreich.« Von ihren Kommilitonen hätte sie Anregungen bekommen, die sie schon während ihres nächsten Unterrichtsversuches versucht habe umzusetzen. Doch gehe es nicht nur darum, Fehler auszumerzen, sondern sich auch gute Methoden bei den anderen abzuschauen. »Die Idee einer Kommilitonin hat mir so gut gefallen, dass ich sie in meinem nächsten Unterrichtsversuch gleich selbst angewandt habe.« Von wegen also bloße Theorie. Kathrin Zollbrecht: »Durch die Verknüpfung von Universität und Schule gelingt erstmal eine für den Lehrerberuf notwendige Verbindung von Theorie und Praxis.« Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 10.05.2011
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