Reformprozess in Grafing beginnt in diesem Jahr

Grafing · Zukunft für den Glauben

Ist Kirche noch zukunftsfähig? Die Pfarrei Grafing startet mit einem Reformprozess. Hans Rombeck (u.) plädiert unter anderem dafür, Gottesdienste attraktiver zu gestalten.	Foto: sf

Ist Kirche noch zukunftsfähig? Die Pfarrei Grafing startet mit einem Reformprozess. Hans Rombeck (u.) plädiert unter anderem dafür, Gottesdienste attraktiver zu gestalten. Foto: sf

Grafing · Die Zahl der Kirchenmitglieder sinkt, immer mehr Austritte sind zu verzeichnen, die Kirchen befinden sich in einer Krise. Im Mai 2008 initiierte daher Erzbischof Reinhard Marx eine Reform unter dem Titel „Dem Glauben Zukunft geben“. Seit zwei Jahren läuft nun dieser Prozess im Erzbistum München und Freising.

Ziel ist es, einen zukunftsfähigen Struktur- und Personalplan zu entwickeln sowie Schwerpunkte und verbindliche Zielvereinbarungen für die seelsorgerische Arbeit der kommenden Jahre in den Pfarreien und Pfarrverbänden zu formulieren. Mit dieser Aufgabe ist ein 126-köpfiges Zukunftsforum im Erzbistum Ebersberg beschäftigt, in dem alle Arbeitsebenen repräsentativ vertreten sind. Bei der Frühjahrsversammlung des Deka­natsrates sagte Claudia Pfrang, Geschäftsführerin des katholischen Kreisbildungswerkes Ebersberg und Projektleiterin: „Wenn Kirche auch in der Zukunft bestehen will, muss sie Neues wagen. Mit alten Erklärungsmustern und mit einer reinen Strukturreform kann man keine neuen Wege gehen“. So sei die Grundlage der Reform eine Bestandsaufnahme. Wer kommt in die Kirche? Wer nimmt die Angebote der Kirche wahr? Was möchten die Gläubigen?

Die Pfarrei Grafing beginnt nun im Laufe des Jahres mit dem Reformprozess. „Im Juni oder Juli erwarten wir ein Schreiben von Kardinal Marx, in dem die Schwerpunkte festgelegt sind“, erklärt Hans Rombeck, Vorsitzender des Dekanatsrates Ebersberg. Bereits Ende Mai oder Anfang Juni treffe sich ein Sachausschuss des Dekanatsrates, der dann nach den Sommerferien mit seiner Arbeit ­beginnen will. Innerhalb von zwei Jahren muss die Pfarrei ein pastorales Konzept vorlegen, das in Visitationen geprüft wird.

„Wir werden uns unter anderem darüber Gedanken machen, wie man die Gottesdienste attraktiver gestalten kann, wie man die Schulen und Krankenhäuser besser in die seelsorgerische Arbeit einbinden kann und wie die Kommunen eingebunden werden können“, so Rombeck.

Welche Aufgaben kann Kirche übernehmen?

Außerdem stellten sich Fragen wie: Wie gehe ich mit besonderen Familiensituationen um, etwa mit allein erziehenden Vätern und Müttern? Wo kann die Kirche sich mehr einbringen? Wo ist Not am Mann? „In Grafing hat beispielsweise die katholische Kirche in Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirche eine „Tafel“ gegründet, eine Essensausgabe für sozial schwache Menschen“, erzählt Rombeck. Am Anfang werde es jedoch eine Ist-Analyse geben, wie die Menschen in Grafing überhaupt zur Kirche stehen, welche Angebote gut angenommen werden oder welche fehlen. Diese Bestandsaufnahme hat die Pfarrei Ebersberg, die neben der Pfarrei Poing und dem Pfarrverband Steinhöring als „Pilot-Pfarrei“ für das Projekt ausgewählt wurde, jetzt abgeschlossen.

Fragebögen gingen an 5.000 Haushalte

Mitte Februar waren Fragebögen an 5.000 Ebersberger Haushalte verteilt worden, mit denen man die Einstellung der Ebersberger zur Kirche und zum Glauben generell sowie die Zugehörigkeit und Wahrnehmung der Ebersberger zu ihrer Kirchengemeinde feststellen wollte. 682 Fragebögen kamen zurück, was einer Quote von 14 Prozent entspricht. Davon stammten 45 Prozent aus dem inneren Kreis der Pfarrei, das heißt von Menschen, die in der Pfarrei mitarbeiten oder regelmäßig Angebote in der Pfarrei wahrnehmen. Den größten Anteil (30 Prozent) in dieser Gruppe haben die 34- bis 54-Jährigen. 55 Prozent der Antworten stammen von unregelmäßigen Gottesdienstbesuchern oder Menschen, die der Pfarrei fernstehen: Hier bilden die 24- bis 33-Jährigen die größte Gruppe. Die Ergebnisse werden am Mittwoch, 11. Mai, um 19.30 Uhr im Pfarrheim umfassend vorgestellt. Hier einige Kernaussagen vorab: Die Pfarrei Ebersberg wird im Wesentlichen als traditionsbewusst, ortsverbunden und familienfreundlich wahrgenommen. Dass sie offen für Neues ist, sehen nur 34 Prozent der Fernstehenden so. Stark machen soll sich die Pfarrei vor allem dafür, dass die Seelsorger Zeit und ein offenes Ohr für die Nöte der Menschen haben. Weiter soll sie sich vor allem für Kinder und junge Menschen sowie ansprechende Gottesdienste einsetzen.

Wichtigstes Angebot: die Gottesdienste

Als wichtigste Angebote der Pfarrei sind mit über 60 Prozent die Gottesdienste bewertet, gefolgt von Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen sowie der Vorbereitung auf Erstkommunion und Firmung. Auch die Informationen der Pfarrei (Pfarrbrief, Homepage) nehmen einen hohen Stellenwert ein. Im Gottesdienst am wichtigsten ist nach der Umfrage die Predigt (44 Prozent), gefolgt von Kommunionempfang (35 Prozent) und Musik (33 Prozent).

Qualität der Gottesdienste wichtig

Insgesamt lasse sich feststellen, dass das Interesse an ansprechenden Gottesdiensten groß ist, wenngleich ein regelmäßiger Gottesdienstbesuch nicht zum Unabdingbaren zähle, so der Vorsitzende des Pfarrgemeinderates, Josef Gibis. Überrascht habe den Pfarrgemeinderat die hohe Zahl derer, die im Gottesdienst gerne mitsingen möchten (71 Prozent). Auch sei herauszulesen, dass die Kinder- und Familienarbeit trotz einer älter werdenden Gesellschaft weiterhin an oberer Stelle der Agenda der Pastoral stehen soll.

Im nächsten Schritt werden Interviews mit Multiplikatoren und Meinungsführern der Stadt geführt. Anhand dieser Ergebnisse gehen die Verantwortlichen über in die Leitbilddiskussion, um inhaltliche Ziele zu erarbeiten. Anschließend wird eine Strategie zur Erstellung von pastoralen Zielen entwickelt.

Von Sybille Föll

Artikel vom 05.05.2011
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