Maibäume der anderen Art in Schwabing und im Zentrum

München · Ein Stangerl, das verbindet

Rund ein Dutzend Maibäume in Schwabing ein Signal setzen für Natur und Nachbarschaft. Eine Institution im 2. Stadtbezirk: Die Glockenbachwerkstatt ist heuer mit einem Zunfttaferl vertreten. F.: Urbanes Wohnen, Christian Schultze

Rund ein Dutzend Maibäume in Schwabing ein Signal setzen für Natur und Nachbarschaft. Eine Institution im 2. Stadtbezirk: Die Glockenbachwerkstatt ist heuer mit einem Zunfttaferl vertreten. F.: Urbanes Wohnen, Christian Schultze

München · Es kommt nicht auf die Größe an. Diese tiefe Wahrheit trifft auch auf die Tradition des Maibaumes zu, jedenfalls wie sie seit ein paar Jahren erfolgreich in einigen Münchner Stadtvierteln gepflegt wird. Gerade mal 14 Meter misst der Maibaum im Glockenbachviertel, der seit vier Jahren am Karl-Heinrich-Ulrichs-Platz steht, als wäre er schon immer da gewesen.

Die neuen Tafeln kommen heuer von der Glockenbachwerkstatt in der Blumenstraße, die seit Ende der 70er-Jahre als Bürgerhaus fungiert, und von den Seniorengruppen im zweiten Stadtbezirk, vom ASZ bis Nachbarschaftsprojekt der Caritas. Gegen Mittag werden am 1. Mai die neuen Sprossen enthüllt. Davor und danach gibt es ein buntes Fest rund um den Maibaum (bis 19 Uhr). Das Rahmenprogramm eröffnen um 11 Uhr die „Schwuhplattler“. „Es ist uns ein großes Anliegen, alle Gruppen im Viertel in das Fest einzubinden“, sagt Michael Plaß, Kulturchef des Schwulen Kommunikations- und Kulturzentrums (Sub) in der Müllerstraße 43. Vor vier Jahren hat das Sub erstmals einen Maibaum aufgestellt, den von Anfang an die verschiedensten Einrichtungen im Glockenbachviertel mitkonzipiert haben und den die Veranstalter deshalb auch gerne Integrationsmaibaum nennen.

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„Gut für die Integration“ war laut Alexander Golombek auch der Gedanke bei den Sozialpädagogen vom Jugendtreff am Biederstein. Die Einrichtung mit bis zu 150 Besuchern am Tag, viele davon mit Migrationshintergrund, stellt zum ersten Mal einen Maibaum auf. Und zwar im Rahmen einer 2010 gestarteten Aktion, bei der ein Dutzend vier Meter hohe Mini-Maibäume in Schwabing „Signale setzen für das junge ökologische Netzwerk von Natur und Nachbarschaft zwischen Englischem Garten und Olympiapark“, erklärt Manfred Drum vom Verein Urbanes Wohnen, einer der Initiatoren und Veranstalter. Interessierte Nachbarn, Bürgergruppen, Hausgemeinschaften, Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen werden von 1. bis 6. Mai individuelle Maibäume gestalten. Die Möglichkeit des Selbermachens und Ideen umzusetzen überzeugte auch die Jugendlichen vom Biederstein, von denen vielen der Brauch erstmal fremd war, wie Golombek erzählt. Herausgekommen ist ein Maibaum mit Symbolen der Jugendkultur rund um Hip Hop und Breakdance. 20 Teenager haben mithilfe von Schablonen-Graffiti 15 Holztafeln mit Mikrophon oder Plattenteller verziert. Tribut an die Tradition: weiß-blaues Rautenstangerl und weiß-blaue Bänder. Den Hip Hop-Maibaum und die anderen kann man am Nachmittag des 7. Mai bei einem Umzug besuchen. Um 14 Uhr ist Start der Maibaum-Route Teil 1 vor dem Café Münchner Freiheit, um 15.30 Uhr beginnt dann die Maibaum-Route Teil 2 vor der Kölschkneipe, Winzerer-/Saarstraße. Von 17 bis 19 Uhr steigt ein Abschlussfest in der Kulturpassage Ackermannbogen, Rosa-Aschenbrenner-Bogen 9, mit Musik, Gesang, Gedichten und Geschichten und Brotzeit für Kinder und Erwachsene. Bei diesem Fest sind auch spontane Beiträge ausdrücklich erwünscht.

Diese urbanen Maibaumbräuche mögen so manch strengem Hüter der Tradition ein Dorn im Auge sein, aber aus Sicht der Volkskundler, die unseren Alltag erforschen, sind es nur verschiedene Spielarten. „Bräuche mögen zäh und beharrlich sein, aber sie ändern sich und sind gar nicht so statisch, wie man meint“, erklärt Dr. Rainer Wehse, als Volkskundler Maibaumexperte und bis vor kurzem Lehrbeauftragter am Institut für Europäische Ethnologie an der LMU München. „Der Brauch des Ortsmaibaums ist relativ jung“, berichtet der Wissenschaftler. Eigentlich hätte er sich erst so richtig nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ausgebreitet. Den Brauch der Frühlings- und Sommerbäume gebe es auch in anderen Ländern, erzählt Wehse, aber am 1. Mai einen Maibaum aufzustellen, das sei schon typisch bayerisch.

Gar von einem Maibaum-Boom kann man sprechen: „Bis nach Norddeutschland hat sich der bayerische Maibaum mittlerweile ausgebreitet, da gab es ihn eigentlich gar nicht“, weiß der Volkskundler. Bräuche breiten sich ohnehin immer aus, ob Maibaum oder Halloween, erklärt Wehse: „Wir haben mehr Zeit dafür und mehr Geld, denn Bräuche haben immer mit Geld zu tun“, etwa, weil bei den Festen gegessen und getrunken werde. Auch Wehse, der in Reichertshausen vor den Toren Münchens lebt, aber hörbar kein Einheimischer, ist stolz auf den Maibaum seiner Gemeinde: „Das ist eine zentrale Angelegenheit, die die unterschiedlichsten Leute zusammenbringt und die lokale Identität stärkt: Ich gehe selbst gerne hin, da trifft man alle möglichen Leute, die man kennt und es macht einfach Spaß!“

Von Michaela Schmid

Artikel vom 28.04.2011
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