Dokumente aus Sankt Peter über das Internet abrufbar

Zentrum · Historie online

»Wir wollen mit dem Zeitgeist gehen«, sagt Pfarrarchivar Johannes Haidn: Darum sind nun historische Dokumente im Internet online eingestellt.  	Foto: scy

»Wir wollen mit dem Zeitgeist gehen«, sagt Pfarrarchivar Johannes Haidn: Darum sind nun historische Dokumente im Internet online eingestellt. Foto: scy

Zentrum · Mal eben ein Bier beim Wirt um die Ecke kippen? Manch ein Münchner Bürger konnte sich das in früheren Zeiten überhaupt nicht erlauben. Zumindest nicht, solange er Schulden hatte. Wer bei einem anderen in der Kreide stand, musste erstmal, vom Gericht dazu verdonnert, auf jeglichen Alkoholkonsum verzichten.

Eine solche Vereinbarung wurde zwar nur selten getroffen, doch sie ist im Wortlaut in einer so genannten Schuldurkunde nachzulesen, die sich im Archiv der Pfarrei Sankt Peter befindet. Weitere knapp 1.000 Urkunden liegen außerdem dort. Eine beachtliche Menge an historischen Dokumenten, die nun zu großen Teilen über das Internet einsehbar sind: 636 Urkunden aus dem rund 800 Jahre alten Archiv von Münchens ältester Stadtpfarrei wurden unter www.monasterium.net online gestellt. »Wir wollen mit dem Zeitgeist gehen«, sagt Johannes Haidn, Pfarrarchivar von Sankt Peter.

So selbstverständlich ist eine Maßnahme wie diese allerdings nicht. München übernimmt damit sogar eine Vorreiterrolle. »Wir sind die erste große Pfarrgemeinde in Deutschland, die das gemacht hat«, berichtet Haidn. Schon lange hat er den Wunsch gehabt, die Urkunden online zu archivieren. Dann, am 3. März 2009, ereignete sich der Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln. Dabei wurden zunächst rund 90 Prozent der Archivalien verschüttet, darunter der gesamte Nachlass des Literaturnobelpreisträgers Heinrich Böll. »Durch die Archivkatastrophe von Köln wurde es noch dringender, das Vorhaben in die Tat umzusetzen«, erläutert Haidn. Durch die Digitalisierung wolle man die historischen Dokumente aber nicht nur nachhaltig sichern, sondern auch schonen. »Nun müssen die Originale nicht mehr so oft angefasst werden«, so der Experte. Gleichzeitig wurden sie zugänglicher gemacht für Wissenschaftler und Interessierte. »Wer sich durch die Urkunden klickt, erhält einen umfassenden Einblick in die Geschichte der Pfarrei und des Münchner Stadtlebens«, sagt der Archivar.

Auch wer Ahnen- und Familienforschung auf eigene Faust betreibe, könne vielleicht manche Lücke in der eigenen Geschichte schließen. Die Urkunden sind meist aus Pergament, oft aufwändig gestaltet, manche mit Samt verkleidet oder mit Blattgold verziert, einige tragen zentimetergroße Siegel. Zu großen Teilen handelt es sich um Regularien aus dem Pfarreileben. Dokumentiert werden unter anderem Mess- und Benefizien-Stiftungen oder Schenkungen wie beispielsweise Kerzenwachs in Kilogramm-Mengen. Abgabenpflichtige Bauernhöfe werden erwähnt mit genauer Angabe ihrer Abgaben. Detailliert ist erfasst, welcher Landwirt pro Jahr wie viel Laibe Käse und wie viele Büschel Heu abliefern musste. Im Internet ist jede Urkunde als hochauflösende Bilddatei verfügbar. Im Zoom-Modus sind die Schriftstücke teils sogar besser lesbar als das Original. Zu jeder Urkunde gibt es außerdem ein so genanntes Regest, also eine kurze Zusammenfassung des Inhalts. Denn gerade die älteren Exemplare sind aufgrund der oft verwendeten lateinischen oder auch italienischen Sprache und der historischen Schrift häufig nur für Experten lesbar.

Sobald die aufwendig zu erarbeitenden Regesten fertig gestellt sind, werden weitere rund 300 Urkunden ins Monasterium gestellt. Der Name übrigens ist lateinisch und bedeutet eigentlich Kloster, denn viele Klöster haben eine kontinuierliche Archivtradition. Vor allem in Niederösterreich, wo das Projekt seinen Anfang nahm: Initiator ist Robert Reiter vom Diözesanarchiv Sankt Pölten. Inzwischen hat sich Monasterium.Net zum größten virtuellen Archiv für den Quellentypus »Urkunde« weltweit entwickelt. Den größten historischen Wert im Archiv von Sankt Peter hat die älteste Urkunde. Sie stammt aus dem Jahr 1278. Ein Bischof formuliert darin einen allgemeinen Ablass für Gläubige, die Sankt Peter besuchen. Heißt: Wer in frommer Absicht ein Gebet verrichtet oder an der Messe teilnimmt, dem wird zugesichert, weniger Zeit im Fegefeuer verbringen zu müssen. So lapidar freilich hat sich der geistliche Würdenträger nicht ausgedrückt. Wie es genau heißt, lässt sich nun aber zum Glück online nachlesen. Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 26.04.2011
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