Da schau her! Ein Münchner sagt seine Meinung

München · Albrecht Ackerland über die Prinzenhochzeit

Jetzt hat sich der Wiggerl doch breitschlagen lassen: Am kommenden Freitag fahren wir die Geschütze auf bei ihm in seiner Boazn. Vier Fernseher. Fisch und Fritten zum Ausbacken. Grausiges englisches Bier (Wir hätten gern Guiness genommen, aber der Ire ist ja nun nicht unbedingt als königstreu bekannt.). It‘s dem Prince seine Wedding! Noch vor wenigen Wochen hätte ich Ihnen den Vogel gezeigt, und „Willie, wos?“ gefragt. Doch dann geriet ich in den Sog. Und bin fassungslos, wie leicht ich doch zu manipulieren bin. Denn ich fiebere dieser an sich für uns und unser Leben reichlich bedeutungslosen Zusammenkunft vor einem Altar entgegen. Ein Klatschblattl, ein miefiger Fernsehbericht reichte, um mich zum Follower zu machen. Pfui Teufel, mögen Sie nun denken, hier schreibt ein Monarchist!

Mitnichten, möchte ich antworten, mehr denn je bin ich überzeugt von unbedingter Bestimmung der Menschen über sich selbst. Es sei denn, es kommt ein junger Mann mit kleiner Glatze und eine junge Frau aus dem Partygewerbe. Dann bin ich ganz schnell bei meinen Gläsern mit Goldrand angekommen – aus denen wir dann am Freitag auch unsere Bierbrühe trinken werden.

Anders wird der Marathon auch nicht zu ertragen sein. Von neun Uhr an berichten ARD und ZDF gleichzeitig mit unterschiedlichen Teams und einem Aufwand, der einer Fußballweltmeisterschaft gerecht würde. Um dem zu gedenken zeigen wir auf dem vierten Schirm das WM-Finale von 1966 in Wembley in Dauerschleife. Auf Glotze Drei läuft der ORF, eine dritte Meinung ist immer gut, gerade, wenn sie aus Österreich kommt, schließlich kennen die Menschen sich dort wirklich blendend mit dem Adel aus. Ich weiß wovon ich spreche, ich habe Verwandtschaft.

Es liegt ja nicht nur daran, dass ich den halbplatterten Willie und seine Katie liebgewonnen hab und weiß, dass sie Lady Di‘s Verlobungsring trägt und er von George Michael ein Exklusivständchen bekommen hat. Und dass eine deutsche Konditorei einen Kuchen liefert und um wieviel Uhr die Queen den Palast in Richtung Kathedrale verlassen wird – und deshalb mit all dem Wissen diese Jahrtausendtrauung dann auch nicht verpassen kann.

Unser Boazn-Viewing ist auch eine Pflichterfüllung. Als brave GEZ-Kunden wissen wir es einfach zu schätzen, dass sich gleich zwei von uns bezahlte Anstalten um das gleiche Ereignis kümmern. So ein historischer Tag braucht unbedingt eine zweite Meinung. Deshalb werde ich auch unter meinem Queen-artigen Hüterl einen Kopfhörer tragen: Rechts kommt das Erste aufs Ohr, links das ZDF. Und um den Bauch schnall ich mir noch einen kleinen Lautsprecher, da läuft dann der ORF, da passt er auch hin. Und über die Boxen in der Boazn läuft Wembley im englischen Original-Stadionreporterton. Das sorgt für die nötige Dramatik, die eine Kirchenorgel ja nie nicht so hinbekommt.

Und wenn dann die letzte Zusammenfassung vorbei ist, der Fisch weg und das Bier aus: Dann bestell‘ ich mir ein bayerisches Weißbier, und freu mich, dass Ludwig II. keine Kinder hatte. Das würde uns grad noch fehlen.

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Artikel vom 21.04.2011
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