Ein Kommentar von Alfons Seeler

Wer will schon in die Bayernliga?

München · Je komplexer die Problemlage, um so lauter schlägt die Stunde der Vereinfacher. Für viele Medien scheint die Sache klar: Auf der einen Seite stehen die sogenannten Retter, auf der anderen die angeblichen Insolvenz- und Bayernligabefürworter. „Sind Sie für Rettung oder Bayernliga?“ fragte suggestiv das Bayerische Fernsehen seine Zuschauer in der Sendung Blickpunkt Sport.

Nachdem zuvor eine Online-Befragung des BR zum gleichen Thema noch zu Ungunsten der Retter-Position ausgegangen war, präsentierte die Redaktion in der Sendung rasch eine Telefonhotline und vereinfachte die Frage noch etwas mehr, um am Ende das gewünschte Ergebnis mit großer Geste live verkünden zu können: Die Mehrheit sei – natürlich – für die Rettung.

Doch wer soll das sein, der die Bayernliga will? Wer will die Insolvenz? In Wahrheit niemand. Aber sie erscheint nicht wenigen Mitgliedern und Fans mittlerweile als das geringere Übel gegenüber der Aussicht, auf Jahrzehnte hinaus fremdbestimmt zu sein. Sich gezwungen zu sehen, das vermeintlich geringere Übel wählen zu müssen, ist jedoch etwas anderes als das zweifelhafte Etikett Insolvenz- und Bayernligabefürworter glauben machen will.

Eine „tragfähige Lösung für die Zukunft“ erwarten Geschäftsführer Robert Schäfer und Präsident Dieter Schneider binnen der nächsten vier Wochen, nachdem es ihnen mit einem Kraftakt in letzter Minute gelungen ist, die angeschlagene TSV München von 1860 GmbH & Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien mit einer Zwischenfinanzierung am Leben zu halten. Den Zeitgewinn wollen die Verantwortlichen nutzen, um eine „große Lösung“, die eine Sanierung beinhalten soll, auf den Weg zu bringen.

Helfen soll dem TSV 1860 dabei ein arabischer Investor, der dem Vernehmen nach den Klub als Anteilseigner übernehmen will. Die Aussicht auf sprudelnde Millionen aus dem Morgenland elektrisiert erwartungsgemäß Boulevard-Medien und Teile der Fans, die sich regelrecht in Goldgräberstimmung befinden und dabei eine Gefühlslage offenbaren, die einem Hartz-IV-Empfänger gleicht, den die Nachricht vom Gewinn des Lotto-Jackpot ereilt. Die Wunschliste ist lang: Aufsteigen will man, sich in der 1. Bundesliga etablieren, mittelfristig international spielen und ein eigenes Stadion haben. Hehre Ziele. Klingt alles spannender als das vergleichsweise schnöde Projekt Neustart in der Bayernliga.

Erst die Zeit wird zeigen, wessen Vision von der Wiedergeburt des Löwen die realistischere ist.

Alfons Seeler

Artikel vom 07.04.2011
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