Die „Frauen-Frage“ in München: Von Politik bis Uni

München · Steiniger Weg nach oben

Barbara Vinken ist das beste Beispiel: Frauen dürfen attraktiv und intellektuell sein. Foto: Privat

Barbara Vinken ist das beste Beispiel: Frauen dürfen attraktiv und intellektuell sein. Foto: Privat

München · Um die feministische Bewegung ist es still geworden. Dabei würden starke Frauen in der Politik und im Wirtschaftsleben dringend gebraucht, mahnt die CSU-Landtagsabgeordnete Kerstin Schreyer-Stäblein. An Universitäten würden weibliche Machtträgerinnen nach wie vor beargwöhnt, rügt die Münchner Professorin Barbara Vinken.

Die Stadtverwaltung indes bemüht sich, mehr Frauen für Führungsaufgaben zu gewinnen. Unter dem Titel „Feminismus reloaded“ wird das Thema am heutigen Samstag im Gasteig neu diskutiert. Zwar steht mit Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Frau an der Regierungsspitze des Landes. Jedoch ist es immer noch eine Seltenheit, dass Frauen in der Politik in hohe Positionen aufsteigen, hat Schreyer-Stäblein beobachtet. Sie selbst hat es geschafft und zog 2008 als Kandidatin des Stimmkreises München-Land-Süd in den Landtag ein, nachdem sie sich gegen ihren Gegenkandidaten Stefan Detig behaupten konnte. Allerdings gibt sie zu: „Als Frau hat man es schwer, sich in der Politik durchzusetzen.“ In den Köpfen der Menschen sei nach wie vor verankert, dass Frauen für die Familie zuständig seien: „Dass sie nun in öffentliche Positionen drängen, ist neu, daran muss sich die Gesellschaft erst gewöhnen.“

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Vertreten seien Politikerinnen zudem meist in Ressorts, die ohnehin als „frauentypisch“ gelten. Ihre Kompetenzen würden auf die Bereiche Familie, Bildung und Soziales reduziert. Hilfreich seien weibliche Fähigkeiten jedoch auch in der Wirtschaftspolitik und in den Unternehmen selbst. „Frauen gehen konservativer mit Geldanlagen um“, glaubt die Landtagsabgeordnete. „Hätte Lehman Brothers Lehman Sisters geheißen, wäre die Bank nicht in dieser Art pleite gegangen.“

Dennoch halten Frauen nur selten Einzug in deutsche Chefetagen. Laut einer Erhebung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sind unter den Vorstandsmitgliedern der 200 größten Unternehmen des Landes gerade einmal 2,5 Prozent weiblich. Zwei davon haben ihren Arbeitsplatz in der Konzernzentrale von Siemens am Wittelsbacher Platz: Barbara Kux verantwortet die Bereiche Logistik und Nachhaltigkeit, Brigitte Ederer ist als Arbeitsdirektorin für das Personal zuständig. Bei der Berufung der beiden Frauen in den Vorstand habe das Geschlecht jedoch keine Rolle gespielt, betont ein Sprecher des Unternehmens: „Sie haben diese Positionen aufgrund ihrer fachlichen Eignung bekommen.“ Nicht äußern wollte er sich dazu, ob der Konzern bei Führungspositionen auf ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern achte: „Das ist ein politisches Thema.“

Auch an Universitäten müssten Frauen hart kämpfen, wenn sie verantwortungsvolle Aufgaben übernehmen wollten, sagt Barbara Vinken. Sie ist Professorin für Allgemeine Literaturwissenschaft und Romanistik an der Ludwig-Maximilians-Universität und Autorin des Buches „Die deutsche Mutter“, das sich mit dem Scheitern der Emanzipation beschäftigt und als Standardwerk gilt. „Ich habe nicht den Eindruck, dass man sich hier bemüht, Professorinnen an die Universität zu holen“, kritisiert sie. Besonders enttäuscht sei sie gewesen, als der Kulturpreis der Universitätsgesellschaft, für den kürzlich mit der international renommierten Literaturtheoretikerin Julia Kristeva erstmals eine Frau nominiert war, zurückgezogen wurde: „Die Universitätsleitung hat das blockiert, das war eine frauenfeindliche Provinzfarce.“ Auch bei den Studentinnen beobachte sie eine problematische Haltung zur Weiblichkeit: „Sie glauben, dass Klugheit und Schönheit nicht miteinander vereinbar sind und sie sich entscheiden müssen, entweder attraktiv oder intellektuell zu sein.“ München halte sie jedoch für eine „frauenfreundliche, ja sogar frauenliebende Stadt“. Im alltäglichen Leben werde der „Wert des Weiblichen“ sehr geschätzt.

Gefördert werden berufliche Karrieren von Frauen indes in der städtischen Verwaltung. Knapp die Hälfte der Führungsaufgaben werden dort nach Angaben von Antje Jörg, Sprecherin des Personal- und Organisationsreferats, von Mitarbeiterinnen übernommen. Vor 14 Jahren lag der Anteil nur bei einem Drittel. „Unser Ziel ist es aber, auf 60 Prozent zu kommen“, sagt sie. Der Grund: Rund 60 Prozent der kommunalen Angestellten und Beamten sind weiblich. Allerdings seien Frauen häufig „zögerlicher“, wenn es darum gehe, sich um hohe Positionen zu bewerben.

Wie sich Emanzipation in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat und welche Rolle die Frauenbewegung aktuell spielt, wird am heutigen Samstag von 15.30 Uhr bis 19.30 Uhr bei einem Symposium der Münchner Volkshochschule in der Blackbox im Gasteig diskutiert. Der Eintritt kostet 15 Euro, ermäßigt 7 Euro.

Von Julia Stark

Artikel vom 07.04.2011
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