Der Ex-Moosacher Feridun Zaimoglu schreibt für die Kammerspiele

Moosach · Kieler Türke mit bayerischer Seele

Moosach · Wenn Feridun Zaimoglu mit dem Zug nach München reist, muss für ihn direkt nach der Ankunft ein bestimmtes Willkommens-Ritual sein: Noch am Hauptbahnhof isst er Weißwürst mit Brezn.

Denn auch wenn der renommierte Autor in der Türkei geboren wurde, in Berlin aufwuchs, in Bonn Abitur machte und seit Studienzeiten in Kiel lebt, fühlt er sich auf besondere Weise mit der bayerischen Landeshauptstadt verbunden. Oder genauer gesagt mit Moosach, wohin er als Neunjähriger vorübergehend mit seinen Eltern zog.

Vollkommene Integration in Moosach

»An die Zeit in Berlin kann ich mich kaum erinnern, an die im Nordwesten von München schon, wo wir wie in einem eigenen Städtchen ab vom Schuss lebten«, verrät der 46-Jährige, der auf seinem Schreibtisch einen Bierkrug stehen hat und manchmal Songs von der Spider Murphy Gang singt. »Vielleicht liegt das an der strengen Maßnahme meiner Mutter, die mir und meiner Schwester den Umgang mit anderen türkischen Kindern verbot. Entsprechend intensiv habe ich mich um Kontakt zu meinen deutschen Klassenkameraden an der Amphionschule und zu den Nachbarskindern in der Hugo-Troendle-Straße bemüht, weil ich unbedingt mitspielen wollte. Ganz wichtig war auch meine großartige Lehrerin. Die hat mir als einzigem Türkenjungen in der Klasse klar gemacht, wie wichtig Deutschlernen ist und sich auch nachmittags meiner angenommen.« Dass Zaimoglus Schwester nach kürzester Zeit ein Dirndl und er selbst bald zu besonderen Gelegenheiten eine Lederhose trug, war da nur konsequent, genauso wie seine Begeisterung für den FC Bayern, die bis heute ungebrochen ist. Selbst mit dem zunächst fremd klingenden Dialekt und dem Granteln der Münchner konnte er sich mehr anfreunden als mit der seiner Ansicht nach unhöflichen »Berliner Schnauze«.

Theaterstück über das typische München

Der Stoff, mit dem er sich für seine neueste Theaterarbeit beschäftigte, war ihm aufgrund dieser Erfahrungen alles andere als fremd. »Als mich die Münchner Kammerspiele baten, ein Stück über die Stadt zu schreiben, bin ich sofort auf das Thema angesprungen«, so Zaimoglu, der in der Folge zum Teil mit seinem Co-Autor Günter Senkel, zum Teil allein, mehrfach zu »knallharten Recherchen« an die Isar reiste. Sein Fazit: »Natürlich hat sich seit meiner Kindheit vieles verändert, ist einerseits moderner, andererseits für die Touristen hergerichtet worden. Trotzdem hatte ich keine Mühe, gute Plätze zu finden, zum Beispiel urige bayerische Wirtshäuser.«

Die fließen in seine Uraufführung »Alpsegen«, die am 15. April unter der Regie von Sebastian Nübling an den Kammerspielen Premiere hat, genauso ein wie die Themen »urbane Gegenwart«, »Gestalten aus alten Sagen«, der Föhn oder »typische Straßen, Plätze und Sprache«; kurzum eine alles andere als idyllische »Feier der Gegensätze« rund um die Frage »Wem gehört die Stadt eigentlich?«. Bei der Vorbereitung seines »archaischen« und bisweilen »poetischten« Stücks hat Zaimoglu allerdings bewusst auf eines verzichtet: einen Besuch in Moosach. »Der hätte mich vermutlich ein bisschen traurig gemacht. Es ist schade, dass Dinge so schnell vorüber gehen.«

Artikel vom 05.04.2011
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