Diavortrag zum Thema »25 Jahre nach Tschernobyl«

Unterhaching · »Nie wieder« ist jetzt

Markus Büchler besuchte zusammen mit Antje Wagner die Reaktor-Ruine in Tschernobyl. 	Foto: Grüne

Markus Büchler besuchte zusammen mit Antje Wagner die Reaktor-Ruine in Tschernobyl. Foto: Grüne

Unterhaching · Als Markus Büchler und Antje Wagner über den Titel für ihren Diavortrag, den sie am 31. März um 20 Uhr im Rathaus-Untergeschoss in Unterhaching halten, nachdachten, hätten sich die beiden engagierten Grünen-Politiker nicht vorstellen können, wie schnell sie von der Realität mit den schrecklichen Ereignissen um den Reaktor in Fukushima in Japan eingeholt werden können.

Unter dem Motto: »Nie wieder Tschernobyl« zeigen sie Dias, die sie bei ihrem Besuch des zerstörten Reaktors und der menschleeren Stadt Prypjat im vergangenen August aufgenommen haben. Die Reise machten der Oberschleißheimer und die Grünwalderin, weil sich in diesem Jahr die Reaktorkatastrophe zum 25. Mal jährt und sie sehen wollten, was aus diesem Landstrich geworden ist. »So einfach kann man natürlich nicht nach Tschernobyl reisen, das ganze Gelände dort ist Sperrgebiet. Allerdings kann man beim Tschernobyl-Ministerium eine Exkursion beantragen und wird dann dort von einem Fahrer und einem Tourenführer begleitet, die die ungefährlichen Wege kennen«, erklärt Markus Büchler, der Mitarbeiter von MdB Toni Hofreiter ist.

Ausgerüstet mit einem Geigerzähler und unzähligen Vorschriften, wie zum Beispiel dem Verbot etwas vor Ort zu berühren oder gar mitzunehmen, etwas zu essen oder zu trinken und die vorgegebenen Wege zu verlassen, machten sich die beiden auf, um zu sehen, was sich seit diesem verhängnisvollen 26. April 1986 dort getan hat. Kaum einen Steinwurf entfernt standen die beiden von der Reaktor-Ruine, ein beklemmender Moment, erinnert sich Büchler. Erstaunt waren die beiden, dass die Werte, die man in Sichtweite des Reaktors messen kann, sogar unter denen liegen, denen man während eines Fluges ausgesetzt ist, so Antje Wagner, Mitarbeiterin von MdL Susanna Tausendfreund. Überrascht waren sie auch, dass im Örtchen Tschernobyl heute wieder rund 3.000 Menschen leben, die dort allerdings immer nur zeitweise wohnen. Sie gehören zu den Arbeitern, die den rissig gewordenen Sarkophag, der damals zum Schutz vor entweichender Strahlung um den Reaktor herum gebaut wurde, wieder erneuern sollen.

Viele der umliegenden Dörfer, die beim atomaren Super-GAU vor 25 Jahren vollkommen verstrahlt wurden, sind von der Landkarte einfach verschwunden, Straßen dorthin führen heute ins Nirgendwo, denn sie wurden damals dem Erdboden gleich gemacht, sozusagen untergepflügt, berichtet Antje Wagner. Erschütternd und gleichzeitig unwirklich, fast wie die Kulisse eines Horrorfilms, haben beide die Führung durch die Stadt Prypjat erlebt. Dort waren rund 50.000 Menschen zuhause, heute kann dort aufgrund der Strahlenbelastung niemand mehr wohnen. Insgesamt haben damals 350.000 Menschen ihre Heimat verloren.

»Prypjat war eine junge, für die Mitarbeiter des Kernkraftwerkes eigens gebaute Stadt, die erst 1970 errichtet wurde. Viele junge Familien lebten dort«, berichtete Markus Büchler, der selber Vater ist. Die beiden Grünen-Politiker besuchten unter anderem Schulen und Kindergärten, in denen noch das Spielzeug auf den Tischen liegt, Schulhefte auf den Pulten verteilt sind. »Alles musste stehen und liegen gelassen werden, die Menschen konnten mit nichts fliehen, außer dem, was sie anhatten«, erklärt Markus Büchler bestürzt und weiter: »Von einem Moment auf den anderen war für die Menschen nichts mehr wie es vorher war.«

Bedrückend und faszinierend zugleich wirkte die »Geisterstadt« auf die beiden. Faszinierend, denn die Stadt und das Gebiet rund um Tschernobyl hat sich zu einer Art Naturpark entwickelt. »Die Pflanzen erobern die Stadt nach und nach, alles ist zugewachsen«, berichtet Büchler. »Aus dem Teer sprießen die Pflanzen, Luchse, Wölfe und Elche haben das Terrain für sich als neuen Lebensraum entdeckt«, fährt Antje Wagner fort. Von den Wölfen wurde ihr Rundgang dann übrigens auch kurzfristig beendet, denn ein Wachhund schlug an und zeigte, dass ein Rudel nah ist. »Tschernobyl hat gezeigt, dass nur eine Spezies mit der atomaren Strahlung nicht zu Recht kommt, und das ist der Mensch«, erklärt Markus Büchler. Heike Woschée

Artikel vom 22.03.2011
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