Hoeneß kontra Ude – Kommentar von Alfons Seeler

Legendenbildung

Rechnet nochmal nach: Uli Hoeneß. Foto: A. Wild

Rechnet nochmal nach: Uli Hoeneß. Foto: A. Wild

München · Die Löwen stehen am Scheideweg. Entweder es gelingt Geschäftsführer Robert Schäfer für seine malade TSV München von 1860 GmbH & Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien bis Ende des Monats noch ein Wunder zu vollbringen oder die Löwen starten mit ihrer Herrenmannschaft nächste Saison einen Neuanfang im Amateurfußball.

Dabei scheint sogar manchem eingefleischten weiß-blauen Fan die Vorstellung eines Zwangsabstiegs gar nicht mehr so arg. Zu unübersichtlich wirkt mittlerweile die Interessen-Gemengelage verschiedenster Vertragspartner des TSV 1860, die alle nur das Beste wollen – vor allem für sich selbst.

Noch bevor das mögliche Ende überhaupt besiegelt ist, schieben sich prominente Beteiligte bereits gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Die unterhaltsamste Vorstellung liefern dabei Oberbürgermeister Christian Ude – ehemaliger Aufsichtsrat des TSV 1860 – und Bayernpräsident Uli Hoeneß, die sich über die Medien wechselseitig der Lüge und der Schuld am Scheitern eines „Rettungsplans“ bezichtigen. Beide sehen sich als wahre Helfer der Löwen. Ude blutet nach eigenen Angaben sogar das Herz, wenn er an den TSV 1860 denkt.

Ihre öffentlichkeitswirksame Empörung kann über eines nicht hinwegtäuschen: Hoeneß wie Ude vertreten in Sachen TSV 1860 ihre ganz persönlichen Interessen und spielen ihr ureigenstes Spiel. Falls das finanzielle Überleben der Profifußballer des Lokalrivalen nicht gelingt, verliert der FC Bayern viele Millionen Euro und einen außergewöhnlich lukrativen Mietvertrag. Das treibt Hoeneß verständlicherweise um. Der Oberbürgermeister wiederum war als Aufsichtsrat bei den Weiß-Blauen seinerzeit mitverantwortlich dafür, dass die Giesinger, allen Warnungen zum Trotz, mit der Beteiligung an der teuren Allianz Arena in ein für sie unwägbares finanzielles Abenteuer gestürzt wurden. Dass Christian „Ich baue ein Stadion“ Ude in der möglichen Stunde des Scheiterns seine Hände in Unschuld wäscht, ist menschlich erklärlich, aber eben auch nur Teil einer Inszenierung, in der die Interessen des TSV 1860 und seiner Mitglieder und Fans allenfalls eine Nebenrolle spielen.

Dass die Löwen nicht untergehen und im Fall der Fälle auch einen Neuanfang schultern würden, diese Hoffnung nähren die Fans des Traditionsklubs, deren sprichwörtliche Leidenschaft den Verein schon durch manches tiefe Tal geführt hat. Die Rolle als Underdog, als gesellschaftlicher und sportpolitischer Giesinger Gegenentwurf zur großen glitzernden FC Bayern-Welt – in dieser Nische wird immer Platz sein für den TSV 1860.

Alfons Seeler

Artikel vom 22.03.2011
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