Kabarettist Florian Schroeder über „Wetten dass“, Guttenberg und intelligente Unterhaltung „Wie so oft im Leben: Der Sinn stellt sich erst am Ende heraus“

Meet and Greet: SamstagsBlatt-Leser treffen Florian Schroeder

„Ich bleibe, in allem was ich tue, immer Komiker“, sagt Florian Schroeder. Foto: Frank Eidel

„Ich bleibe, in allem was ich tue, immer Komiker“, sagt Florian Schroeder. Foto: Frank Eidel

München · „Wenn eine Stadt für Überraschungen gut ist, dann Lörrach“, schreibt das Tourismusamt der gut 50.000-Einwohner-Stadt im Süd-Westen Baden-Württembergs. Von dort kommt jedenfalls einer der mittlerweile Großen in der Kabarettszene, wie der „Spiegel“ kürzlich schrieb: Florian Schroeder. Dabei ist der Mann erst 31!

Er kann (fast) alles, auch astreines Hochdeutsch, sprachlich scharf gestochene, hochkomische Entlarvungen unseres Alltags, die voll ins Schwarze treffen, ob Latte (macchiato), Feminismus oder Hornbrillen, und Politikerparodien. Seinen ersten großen Auftritt hatte er bei „Schmidteinander“: „Ich durfte 30 Sekunden lang zeigen, womit ich meine Klasse 30 Stunden die Woche nervte: Parodien auf Kohl, Blüm und Lindenberg“. Später hat er sein Studium der Germanistik und Philosophie „ein Semester vor dem Magisterabschluss“ abgebrochen, wie er in unserem Interview erzählt.

Trotzdem ist aus Schroeder was geworden. Heute hat er zwei TV-Sendungen („Schroeder. Die Late Night Show im SWR“ und „Seitensprung“, ein Kabarett-Talk auf 3sat am Sonntagabend). Jede Woche macht er einen Satirebeitrag für Radio die rbb – Welle radioeins in Berlin. Und seit 2004 ist er solo auf Deutschlands Bühnen unterwegs. Seit fünf Jahren lebt er in Berlin. Deshalb freut sich Florian Schroeder besonders auf seine zwei Auftritte in München (25. März in Aschheim und 8. April im Schlachthof): „In Bayern sind die Straßen sauber, die Architektur ist großartig und das Publikum extrem herzlich.“

Münchner SamstagsBlatt: In Ihrem Lebenslauf schreiben Sie, Sie hätten schon „Wetten dass“ moderiert – bei Oma auf dem Sofa: Für die Show wird gerade fieberhaft ein Nachfolger für Thomas Gottschalk gesucht. Wäre das nicht was für Sie?

Florian Schroeder: Das ist zwar ein hochspannendes Format, aber mit 31 Jahren bin ich dafür noch ein bisschen zu jung. Zumal diese Show wie keine Zweite vom ungeheuren Können eines Gottschalk lebt. Egal, wer es macht: das wird eine riesige Herausforderung.

Münchner SamstagsBlatt: Haben Sie als politischer Kabarettist kein Problem mit so einer gediegenen Samstagabendunterhaltung?

Florian Schroeder: Nein, schon deshalb nicht, weil ein guter Satiriker auch immer ein guter Entertainer ist. Und ein guter Entertainer hat auch immer ein Anliegen. Ich bleibe, in allem, was ich tue, immer Komiker. Aus dieser Perspektive erübrigt sich die Frage nach E und U. Am Ende des Abends möchte ich, dass sich die Leute intelligent unterhalten fühlen. Ob der Abend im Fernsehen oder auf der Bühne stattfindet, spielt keine Rolle. In Deutschland scheint man zu glauben, ein Kabarettist ist ein Mensch, der im Kellerloch wohnt, den ganzen Tag angewidert fernsieht, einmal am Tag rausgeht, um die Zeitung zu kaufen, die er dann in den Werbepausen liest. Und dann geht er auf die Bühne, ist schlecht drauf und klagt die Welt an. Das ist mir zu einfach. Ich bin in den Dingen, nicht über ihnen.

Münchner SamstagsBlatt: Kriegen Sie den Spagat auch in Ihrem Bühnenprogramm hin?

Florian Schroeder: Das hoffe ich doch! Das Tolle an der Bühne ist ja: Jeder Abend ist anders. Neulich kündigte mich der Vorsitzende eines Kleinkunstvereins mit den Worten an: „Ich möchte noch kurz auf unser Programm hinweisen – in zwei Wochen spielt hier ein Comedian – also einer von den besseren“. Jetzt stellen Sie sich vor, Sie sind ich. Sie stehen hinter dem Vorhang und hören das. Ich habe diesen Satz dann zum Running Gag des Abends gemacht. Das geht nur an diesem einen Abend. Danach schrieb mir der Vorsitzende einen beleidigten Brief, weil ich ihn parodiert hatte. Dann habe ich zurückgeschrieben: Wenn Du einem Löwen ein Stück Fleisch hinwirfst, darfst Du Dich nicht wundern, wenn er es frisst.

Münchner SamstagsBlatt: Was hat der zweideutige Name Ihres Bühnenprogramms zu bedeuten?

Florian Schroeder: Lassen Sie es mich poetisch sagen: Es ist wie im Leben: Der Sinn stellt sich erst am Ende heraus.

Münchner SamstagsBlatt: Eine Ihrer Paraderollen, Ex-Minister Guttenberg, ist ja gerade flöten gegangen? Traurig?

Florian Schroeder: Nein, Trauer habe ich mir abgewöhnt. Bei der Wechsel-Frequenz müsste ich ja nonstop trauern. Da schreibe ich lieber neue Texte. Aber Guttenberg war schon spannend. Sein Vater hat ja jetzt gesagt, er sei oft in der Zeit der Doktorarbeit nachts ins Zimmer seines Sohnes gelaufen und habe ihn gebeten, das Licht auszumachen. Und dann sagte KT: „Geht nicht. Ich muss noch was kopieren.“ Ich glaube ja, er hat auch seine hundert Vornamen abgeschrieben: In mühevoller Kleinarbeit von Klingelschildern in der ganzen Republik.

Münchner SamstagsBlatt: In einem aktuellen Radiobeitrag nach dem Rücktritt von Guttenberg fragen Sie: „Sind wir nicht alle Guttenberg“. Was meinen Sie damit?

Florian Schroeder: Was sich an der Causa Guttenberg gut ablesen lässt. Er ist ein Zerrspiegel meiner Generation, also der 20- bis 40-Jährigen: Dieser Glaube, alles haben zu müssen – und das ganz schnell: Studieren, Ausland, Praktika, Doktor – auch wenn es gar nicht alles nötig ist. Es ist alles ein großes Zahlendiktat geworden. Heute kann kein Mensch mehr Haus-, Bachelor- und andere Arbeiten schreiben. Die Zeit brauchen wir, um die „credit points“ zusammen zu zählen. Oder um zu jobben, um den BWL-Studenten zu bezahlen, der sie zusammengezählt hat. Alles muss sein wie in den USA, heißt es. Bildungspolitiker sind die Chinesen der Bildung: Was in den USA angeblich funktioniert, kopieren sie schlecht. Das nennen sie dann Qualitätsoffensive. Wer das Diktat der Zahlen einführt, braucht sich nicht wundern, wenn beim Diktat massenweise abgeschrieben wird.

Münchner SamstagsBlatt: Wie kommen wir da wieder raus?

Florian Schroeder: Man muss lernen, Entscheidungen zu treffen. Ich kann im Leben halt nicht alles gleichzeitig haben.

Von Michaela Schmid

Münchner SamstagsBlatt-Nachbericht: Leserin Resi Weber und ihr Sohn Simon treffen Kabarett-Hoffnung Florian Schroeder München · Meet and Greet-Nachbericht: Lustiger Abend mit Tiefgang Artikel vom 31.03.2011

Artikel vom 17.03.2011
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