Alte Pinakothek feiert in diesem Jahr 175-jähriges Jubiläum

Zentrum · Verborgene Schätze

Die Alte Pinakothek im Laufe der Zeit: oben eine aktuelle Ansicht, unten ein Bild aus dem Jahr 1938. Heuer feiert die Gemäldesammlung 175-jähriges Jubiläum. 	Fotos: © Haydar Koyupinar/Bayerische Staatsgemäldesammlungen

Die Alte Pinakothek im Laufe der Zeit: oben eine aktuelle Ansicht, unten ein Bild aus dem Jahr 1938. Heuer feiert die Gemäldesammlung 175-jähriges Jubiläum. Fotos: © Haydar Koyupinar/Bayerische Staatsgemäldesammlungen

Zentrum · München hat Besuch aus Washington. Nein, es ist nicht US-Präsident Barack Obama, der sich hier etwa heimlich einen Schweinsbraten gönnt, sondern der hochkarätige Besucher aus den Staaten heißt »Frau mit Waage« – ein Gemälde des bekannten Malers Johannes Vermeer. Es ist eines der bedeutends­ten holländischen Werke aus dem 17. Jahrhundert.

Einst gehörte es dem ersten bayerischen König, Max I. Joseph, heute hängt es in der National Gallery of Art in Washington. Nun ist es – zumindest leihweise – wieder dorthin zurückgekehrt, wo es herkommt. Ab Donnerstag, 17. März, ist es in der Alten Pinakothek zu sehen. Denn die rüstet sich gerade für ihr 175. Jubiläumsjahr. »Wir wollen unseren Besuchern etwas Besonderes bieten«, sagt Konservator Marcus Dekiert, der jetzt, in den letzten Vorbereitungen, von einem Termin zum anderen, von Saal zu Saal, von Gemälde zu Gemälde eilt.

Er bereitet eine Ausstellung vor: Zum Jubiläum eröffnet in den Nordkabinetten »Schätze aus dem Depot« mit selten oder nie gezeigten Gemälden. »Wir haben viel mehr Gemälde als wir Raum in der Pinakothek haben«, berichtet Dekiert. Konkret: Über 700 Gemälde aus dem 14. bis 18. Jahrhundert zeigt in der Regel die Dauerausstellung, darunter weltbekannte von Rubens, Dürer, Rembrandt und da Vinci.

Insgesamt aber beherbergt die Alte Pinakothek rund 8.000 Werke Alter Meister, manche davon sind nur wenig bekannt. »Viele Stücke sind schwer in die Sammlung zu integrieren, da sie sehr eigenständige Werke sind«, so Dekiert. Das Jubiläum biete die Chance, eine Auswahl dieser Kostbarkeiten endlich beziehungsweise erneut an die Wand zu bringen. Manche seien über ein halbes Jahrhundert nicht mehr gezeigt worden.

Die Alte Pinakothek ist längst eine Kunstsammlung von Weltruf. Sie ist in einem Atemzug zu nennen mit den renommierten Altmeister-Sammlungen in Wien, Madrid, London, Dresden, Berlin und Sankt Petersburg. Jährlich kommen zwischen 250.000 und 300.000 Besucher. Bei den Münchnern beliebt ist im Übrigen heutzutage auch der Rasen vor dem Gebäude. An Sonnentagen lassen sich Bürger hier zum Picknick nieder oder es wird Fußball gespielt.

Im Jahr 1826 wurde der Grundstein für die Alte Pinakothek gelegt. Gebaut wurde bis 1836 nach den Plänen des Architekten Leo von Klenze und im Auftrag des bayerischen Königs Ludwig I. Man baute, bewusst der Himmelsrichtung folgend, von Ost nach West, so dass alle Fenster nach Norden ausgerichtet waren. Der Effekt: gleichmäßiges Licht und – vor allem – kein Sonnenlicht. Zudem führte man in allen Sälen ein Oberlicht ein. Im Volk sorgte der Bau für aufgeregte Diskussionen, denn die Alte Pinakothek war eines der ersten frei stehenden Museumsgebäude – und zudem der größte Museumsbau der damaligen Welt. Die umfangreiche Kunstsammlung der Wittelsbacher sollte darin ihren Platz finden. Bis dahin war sie noch in der Hofgartengalerie untergebracht, im Stadtkern also.

Einigen Bürgern mutete es seltsam an, dass nun extra ein monumentales Gebäude errichtet werden sollte. Noch dazu außerhalb der Stadt, auf einem grünen Feld. Denn damals reichte München noch nicht so weit. Ein Tiefpunkt in der Geschichte des Hauses war die Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. Der Wiederaufbau erfolgte in den Jahren 1952 bis 1957 unter der Leitung des Architekten Hans Döllgast. Unter Einbezug der noch erhaltenen Bauteile, doch in vereinfachter Form. »Im Jubiläumsjahr lassen wir die Erinnerung an den früheren Klenze-Bau wieder aufleben«, so Dekiert. Großformatige Abzüge nach Glasnegativen aus dem fast 100 Jahre alten Fotoarchiv zeigen ab Ende Juli die einstige Pracht und Opulenz der Alten Pinakothek: »So wie es sich einst die Gründerväter gedacht haben«.

Ab Mitte April wird zum Jubiläumsjahr beispielsweise eine Auswahl aus den reichen Cranach-Beständen der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen präsentiert. Die Schau »Drunter und drüber« bietet ab dem 7. Juli einen besonderen Blick unter die Oberfläche der Gemälde: Mit digitaler Infrarotreflektografie entstandene Aufnahmen machen die kunstvollen Unterzeichnungen von Hauptwerken der altdeutschen Malerei aus der Alten Pinakothek sichtbar. Ab Oktober dann der nächste Höhepunkt: die Ausstellung »Perugino – Raffaels Meister«.

Doch jetzt verdient erstmal der Gast aus Washington die volle Aufmerksamkeit. »Die besondere Wirkung der Gemälde Vermeers liegt in der Stimmung, die das Gemalte vermittelt«, sagt Dekiert. »Frau mit Waage« zeigt eine hübsche junge Frau, die ganz versunken scheint in das Austarieren des Messinstruments. »Das eigentliche Geschehen jedoch ereignet sich weniger in äußerer Aktion als vielmehr in der Figur selbst«, so der Konservator. »Die Darstellung wird zu einem Sinnbild der Meditation über und der Besinnung auf das rechte und maßvolle Leben.«

Dieses durchdachte Bildprogramm, der weiche Pinselduktus, die effektvolle Lichtregie und nicht zuletzt die meisterlich abgestimmten Farbwerte würden »Frau mit Waage« zu einem der bedeutendsten Genregemälde des 17. Jahrhunderts überhaupt machen, sagt Dekiert. Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 15.03.2011
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