Schwabinger Verein ASTK rettet todkranken Georgier

Schwabing · Georgie lebt!

Ende gut, alles gut: Nana Matikasvili und Kvache Georgie Psakabze im Atelier von Barbara Tax. Der junge Georgier ist wieder gesund. 	Foto: scy

Ende gut, alles gut: Nana Matikasvili und Kvache Georgie Psakabze im Atelier von Barbara Tax. Der junge Georgier ist wieder gesund. Foto: scy

Schwabing · Ein paar Jugendliche kamen auf sie zu, umringten sie und plapperten aufgeregt durcheinander. Jungs im Alter von 15, 16 Jahren. Sie sagten zu ihr: »Da drüben liegt einer, der ist schwer krank.« Nana Matikasvili zögerte keine Sekunde. Sie ließ sich zu ihm bringen. Blass sah er aus, matte blaue Augen, ein erschöpftes Lächeln.

Kvache Georgie Psakabze dachte zu diesem Zeitpunkt, dass er bald sterben würde. Der 18-Jährige litt bereits seit zehn Jahren unter einer schweren Nierenerkrankung. Er hatte nur noch eine Niere – und die drohte jetzt zu versagen. Das war im Sommer 2010, in einem Waisenhaus in Tiflis, Georgien.

März 2011: Nana Matikasvili und Kvache Georgie Psakabze sitzen auf einem Sofa, in einer gemütlichen Wohnung an der Ungererstraße in Schwabing. Der Georgier lächelt, ein bisschen zaghaft, ein bisschen schüchtern, doch glücklich. Er lebt. Und das hat er der Frau neben sich zu verdanken. Nana Matikasvili setzte, nachdem sie von der hoffnungslosen Situation des Jungen erfahren hatte, alle Hebel in Bewegung, um Georgie, wie sie ihn nennt, zu retten. Denn in Georgien schien es keine Hilfe mehr für ihn zu geben. »Die Ärzte vor Ort waren nicht mehr in der Lage, ihn zu operieren«, erzählt Nana Matikasvili. »Es war unter anderem auch eine Kostenfrage.« Wenn sie an diese Zeit zurückdenkt, sagt sie, dann könne sie immer noch die Not des Jungen spüren. Ein paar Tränen schießen ihr in die Augen. Georgie blickt ernst: »Ich dachte, niemand kann mich mehr retten.«

Die Wahlmünchnerin kümmerte sich erstmal um ein Visum für Georgie und mobilisierte Münchner Ärzte, unter anderem die Urologen Michael Straub und Michael Alchibaya. Im Januar 2011 wurde Georgie in das Klinikum rechts der Isar eingeliefert und mehrfach an der Niere operiert. »Es war Rettung in letzter Sekunde«, erzählt Matikasvili. Viele Hände unterstützten ihre Hilfsaktion. Unter anderem verzichteten der Chirurg des Jungen und die behandelnden Ärzte auf ihr Honorar. Für die Kosten des Krankenhausaufenthalts kam die Castringius Kinder- und Jugend-Stiftung auf. »Mir lag diese Rettungsaktion ganz besonders am Herzen, da ich selbst viele Jahre als Ärztin tätig gewesen war«, sagt Stifterin Christa Castringius. Es ist nicht das erste Mal und es wird auch nicht das letzte Mal sein, dass Nana Matikasvili sich für Kinder und Jugendliche in Georgien engagiert. Mit ihrem im Jahr 2005 gegründeten Verein »Aktion Georgische Straßenkinder« (ASTK) mit Sitz an der Ungerer Straße hat sie es sich zum Ziel gesetzt, Straßen- und Waisenhauskindern dort zu helfen, wo es nötig ist. Auch Georgie ist, wie so viele Kinder und Jugendliche, Vollwaise. Mehrere Jahre schlug er sich auf der Straße durch, schlief in verlassenen Kiosken. »Früher war Georgien ein unbesorgtes Land. Ich ­erinnere mich an die langen Sommer und die Unbeschwertheit«, berichtet Matikasvili über ihre frühere Heimat.

Doch dann, 1990 bis 1993, kam der Bürgerkrieg. »Und alles brach zusammen.« Aus Georgien retteten sich damals viele politische Flüchtlinge nach Deutschland, darunter auch Matikasvili, ihr Ehemann und ihre zwei Kinder. Die Familie, der der Schreck noch in den Knochen saß, fand in der ersten Zeit Unterschlupf im Asylantenheim an der Leopoldstraße. Und hier kam die Künstlerin Barbara Tax ins Spiel, die heute bei ASTK mit im Vorstand sitzt.

Die beiden Frauen, Nana und Barbara, wurden Freundinnen. Die eine überlegte, wie sie ihren zurückgebliebenen Landsleuten helfen könnte, die andere stellte den Verkaufserlös aus ihren Bildern zur Verfügung, um die Hilfsaktionen finanziell zu unterstützen. 2002 war es endlich soweit: Matikasvili erhielt endlich einen deutschen Pass und konnte in ihre Heimat zurückreisen, um zu sehen, wo sie gebraucht wird. Sie erinnert sich noch gut: »Plötzlich sah ich viele, viele Straßenkinder. Das hat mich schockiert.« Die meisten waren abgemagert, litten an Lungenentzündungen. Mit den Geldern der früheren Stiftung und des heutigen Vereins bezahlt sie Medikamente, Nahrungsmittel, jüngst beteiligte sie sich an einem Schulprojekt. Vor Ort hat ASTK drei Mitarbeiter, die sich regelmäßig um die Straßenkinder kümmern. Und manchmal ist einer dabei wie Georgie, bei dem es um Tod oder Leben geht. In wenigen Tagen wird er wieder zurückkehren nach Tiflis. Gesund.

»Zum ersten Mal in zehn Jahren wird er in der Lage sein, ein Leben ohne körperliche Schmerzen zu führen«, freut sich Nana Matikasvili. Und Georgie fügt mit leiser Stimme hinzu, man hört ihn kaum: »Ich bin sehr, sehr glücklich.« Und seine stahlblauen Augen strahlen. Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 15.03.2011
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