Tierschützer fordern neue Richtlinien zur Tierhaltung

Harlaching · Tierschutz geht vor

Die Giraffen bekommen bald ein neues Zuhause, das denkmalgeschützte Elefantenhaus muss aufwendig saniert werden. 	Foto: Woschée

Die Giraffen bekommen bald ein neues Zuhause, das denkmalgeschützte Elefantenhaus muss aufwendig saniert werden. Foto: Woschée

Harlaching · »Wenn Mensch und Tier zusammen leben, sind immer Kompromisse notwendig, allerdings gibt es hier auch Grenzen der Machbarkeit«, erklärte Kurt Perlinger vom Tierschutzverein München angesichts einer MVHS-Podiumsdiskussion zum Thema: »Wildtiere und Großstadt – passt das zusammen?«, die am vergangenen Donnerstag im Gasteig stattfand.

Der engagierte Tierfreund forderte die gesetzlichen Richtlinien in Bezug auf Wildtierhaltung in Zirkussen und Tierparks neu zu gestalten, da die alten Gesetze, den Schutz der Tiere seiner Meinung nach nur sehr ungenügend erfüllten. Einen guten Weg geht der Tierpark Hellabrunn, der in Harlaching zuhause ist. Der Leiter des Tierparks Hellabrunn, Dr. Andreas Knieriem, der seit 2009 die Geschicke der Harlachinger Traditionseinrichtung lenkt, erklärte, dass der Münchner Zoo schon seit einigen Jahren in der Tierhaltung neue Wege einschlägt und dabei sei, viele Tiergehege neu und dabei artgerechter zu konzipieren. So hätten die Eisbären im August letzten Jahres ein deutlich erweitertes Gehege mit vielen Spielmöglichkeiten bekommen. 2.700 Quadratmeter umfasst die Eisbärenwelt, die rund 5,5 Millionen Euro gekostet hat. Auch die Scheibe vor dem Eisbärengehege sei deutlich erhöht worden, denn mit Freude würden die Eisbären sonst ihr Spielzeug aus dem Gehege werfen.

In den Genuss einer »deutlich artgerechteren Anlage« sollen auch die Giraffen kommen, erläuterte Knierim weiter. Diese würden in das Gehege der Auerochsen umziehen, sobald dieses fertig gestaltet sei. 3,5 Millionen Euro wird die Umgestaltung der Anlage und der Neubau eines Giraffenhauses kosten. »Allerdings kann man auch im Tierpark nicht die Serengeti nachbauen«, betonte der Zoochef. Der Haltung von Wildtieren in der Stadt seien Grenzen gesetzt, betonte er. Dennoch warb er für das Modell Tierpark. Manche Tierarten seien in freier Wildbahn vom Aussterben bedroht, ein Arterhaltungszuchtprogramm der Tierparks versuche hier einen Beitrag zur Rettung verschiedener Tierarten zu leisten. »In Borneo wird es bald keine Orang-Utans mehr geben, wir sind dann froh, wenn wir noch welche haben«, gab der Zoo-Direktor zu bedenken. Tierparks arbeiteten heute eng mit Biologen zusammen, die Konzepte zur artgerechten Haltung und Fütterung entwickelten, informierte Knierim das kritische Publikum weiter.

Natürlich gebe es auch hier Grenzen bei der artgerechten Haltung, denn »Lebend-fütterungen« bei Wildtieren wie Löwen oder Tigern seien verboten und darüber hinaus »auch kein wirklich schönes Schauspiel«. Der Löwe zum Beispiel brauche kein riesiges Areal um zufrieden zu sein, da er eher ein faules Tier sei. »Der rennt seiner Beute nicht hinterher, sondern wartet am Wasserloch, dass die Gnus zu ihm kommen«, gibt Knierim Kritikern der Käfighaltung zu bedenken. Man bemühe sich aber, den Alltag der Tiere abwechslungsreich zu gestalten, so dass keine Langweile für die Tiere aufkomme, betonte Knierim. In den Genuss von mehr Abwechslungsreichtum sollen auch bald die Pinguine kommen, deren Ge­hege ebenfalls umgebaut wird. Unvorhergesehen für den Tierpark Hellabrunn kommt jetzt aber die Renovierung des architektonischen Wahrzeichens des Tierparks, dem rund 100 Jahre alten Elefantenhaus, dessen Deckenkonstruktion sich unerwarteter Weise als dringend sanierungsbedürftig erwiesen habe.

Knierim erzählte dem Publikum, dass die Wärter eines Morgens in das Elefantenhaus gekommen seien, und die dort lebenden Giraffen und Elefanten von Schutt, der von der Decke gestürzt sei, bedeckt gewesen seien. »Die Giraffen haben ganz schuldbewusst dreingeschaut, als ob sie schuld gewesen wären«, berichtete Knierim schmunzelnd. Zum Glück sei den Tieren nichts passiert, dennoch sei die Aussicht auf Renovierungskosten in Millionenhöhe alles andere als zum Lachen, betragen doch die Rücklagen für Bauprojekte gerade mal noch vier Millionen Euro. Auch bedürfe es jetzt eines Provisoriums sowohl für die Elefanten als auch für die Giraffen, das rund 900.000 Euro kosten wird und bis Ende April fertig sein soll. Die Schätzungen für die Renovierungskosten laufen noch, doch werden sie sicherlich immens sein, gelte es strenge Denkmalvorschriften einzuhalten, so Knierim. Dabei soll auch die Besucherfläche für die eigentlichen Bewohner umgewidmet, die Wohnung des Elefantenwärters im Elefantenhaus soll hingegen zur offenen Besucherempore umgebaut werden, wenn es nach Knierim geht. Der Tierpark hoffe in diesem Fall auf Unterstützung von der Stadt München, die gerade mal mit 2,1 Millionen Euro im Jahr den Tierpark bezuschusse. 17.000 Tiere lebten im Zoo, die alle gefüttert und gepflegt werden wollten. Bald kommen ein paar neue Zoobewohner hinzu, denn Ende April, Anfang Mai gibt es Nachwuchs bei den Elefanten und bei den Giraffen, verriet Knierim erfreut.

Nicht so rosig wird hingegen von Tierschützern die Haltung von Wildtieren im Zirkus gesehen. Kurt Perlinger machte deutlich, dass er beispielsweise gar nichts von gemischten Raubtiergruppen in Zirkussen halte, denn auch in freier Wildbahn würde es niemals zu so einer Vermischung kommen. Auch seien die Platzverhältnisse für die Unterbringung der meisten Wildtiere in Zirkussen nicht artgerecht und deshalb abzulehnen, forderte Perlinger und erhielt dabei Unterstützung von Stadtrat Florian Vogel von den Grünen. Die Liebe zu den jeweiligen Tieren, die von den zuständigen Betreuern ständig betont und auch nicht angezweifelt würden, sei für die artgerechte Tierhaltung kein Maßstab, sondern vielmehr die natürlichen Bedingungen, in denen die Tiere ansonsten leben würden, so Vogel weiter. Die Richtlinien, nach denen Zirkusse Wildtiere hielten, seien 25 Jahre alt, informierte MVHS-Moderator Marco Eisenack. Derzeit würden sie allerdings überarbeitet. Perlinger wünschte sich ein generelles Wildtierverbot im Zirkus, das mit einer angemessenen Frist umgesetzt werden müsse. Ein Nachzüchten von Zirkustieren sollte verboten werden, forderten Perlinger und Vogel weiter. Dem entgegen stünde derzeit noch die Berufsfreiheit, die es Artisten erlaube, Wildtiere für Auftritte im Zirkus unter gewissen Auflagen zu dressieren. Für den Tierschutz gebe es noch viel zu tun, waren sich die Diskussionsteilnehmer einig. hw

Artikel vom 22.02.2011
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